Ki, Mind & Matter

Ki, Mind & Matter

Wenn ich mit einer Klientin arbeite, die zu mir kommt, weil sie gesund werden will, kann ich mich entscheiden, Sie heilen zu wollen oder ich kann mich entscheiden, ihr Gesundwerden in den Fokus zu nehmen. Die Art und Weise, wie ich mich ausrichte, ist von zentraler Bedeutung für den Verlauf der Behandlung und für das, was dadurch entstehen kann.

Unser Geist steht ganz am Anfang, noch bevor wir ein Wort sagen, noch bevor wir unsere Hand bewegen. Unser Geist, der angebunden ist an das große, alles durchdringende Feld dieser Welt, sogar dieses Universums, dieser Geist steht immer am Anfang aller Manifestation.

Stell Dir vor, ein Tischler will einen Stuhl bauen. Der Stuhl ist im Geiste schon fix und fertig gebaut, bevor auch nur ein Spahn auf den Boden der Schreinerwerkstatt gefallen ist. Die Idee für den Stuhl, die dem Tischler in den Kopf „gekommen“ ist, steht in diesem Prozess ganz am Anfang. Genau genommen ist auch dieser Idee etwas vorweg gegangen, ohne das es nie zu diesem Stuhl gekommen wäre. Es ist mühsam, den wahren Ursprung zu finden. Dieser befindet sich in der Unendlichkeit.

Aus dieser ersten Idee formt sich eine konkrete Idee und der Entschluss, dies umzusetzen. Die Manifestation beginnt. Der Tischler fertigt eine Skizze an und beginnt die rohen Holzbohlen zu sichten und ein passendes Stück herauszusuchen. Im Detail betrachtet, ist der Prozess der Manifestation wahnsinnig komplex und vielschichtig. Bis der Stuhl fertig lackiert im Wohnzimmer steht und der erste Mensch sich darauf setzen kann, vergehen noch unendlich viele Schritte, bei denen der Geist immer wieder diese ursprüngliche Idee neu aufrollt, anpasst und verfeinert.

Ohne Geist kein Stuhl. Der Stuhl kann niemals unabhängig von dem Geist dieses Tischlers existieren. Jeder Gedanke zu diesem Stuhl, der dem Geist dieses Tischlers entsprungen ist, steckt in diesem Stuhl.

Ich finde diese Überlegung sehr faszinierend, denn sie hat kein Ende. Man kann bis in die Unendlichkeit weiter überlegen und sammeln, was alles durch den Geist des Tischlers über seine Hände in diesen Stuhl geflossen ist.

Doch Moment. Was fließt da eigentlich? Wir bewegen uns im Unsichtbaren und dennoch scheint klar zu sein, da muss etwas fließen. Vom Geist in den Körper und durch die Hände in das Holz. Wir nennen das Ki oder alldurchdringende Substanz. Doch Ki lässt sich nicht linear betrachten. Es fließt nicht rein und wieder raus aus dem Körper, wie das eine Flüssigkeit machen würde. Ki ist überall, wirklich überall und es hat eine Richtung und eine Kraft. Ki ist sozusagen das Medium, durch welches sich schöpferische Prozesse entfalten.

Dieses Ki hat viele Namen und viele Gesichter. Prana, Heiliger Geist, Lebensatem, Lebensenergie und Ch’i sind gebräuchliche Überschriften in verschiedenen Kulturen. Jeder von uns hat Erfahrungen damit, ganz konkrete und ganz subtile. Ohne diese Erfahrungen könnten wir uns nicht vom Fleck bewegen und keine Beziehung erleben.

Doch kommen wir zurück zum Geist.

> Der Geist steht am Anfang.

> Das Ki folgt dem Geist.

> Das sich bewegende Ki nimmt Gestalt an.

> So entsteht schöpferische Entfaltung.

KI FOLLOWS MIND

 

Was das für´s eigene Leben bedeutet, kann sich jeder selbst beantworten.

Du brauchst nur beobachten, was Du denkst und was sich davon im eigenen Leben manifestiert hat. Es gibt ganz offensichtliche Fälle und ganz versteckte. Setz Dich doch mal hier und jetzt für 10 Minuten hin und frag Dich, was Deine wichtigsten Gedanken zu Beziehung, Arbeit, Gesundheit und Geld sind und frag Dich dann, wie sich diese vier Bereiche in Deinem Leben gestaltet haben. Du wirst erstaunt sein.

In einer Shiatsusitzung ist das Wissen um Ki follows Mind ganz besonders wichtig. Wir wissen, dass der Heilsuchende sich nur selbst heilen kann. Wenn wir uns gedanklich also auf „ich will dich heilen“ ausrichten, kann das nicht funktionieren. Ich kann weder jemanden heilen, noch von etwas überzeugen, ich kann auch niemanden erziehen oder formen. Ich kann immer nur einladen und inspirieren, sozusagen einen Raum erschaffen, in dem dies geschehen darf. Wie kann ich das tun? Im Sinne von Ki follows Mind nehme ich genau das in den Fokus, was meinen Möglichkeiten entspricht und was eine realistische Chance hat, sich zu manifestieren.

Ich kann nicht heilen, aber ich kann einen Raum für Heilung kreieren.

Ich kann nicht bei dem anderen Aufräumen, aber ich kann einen Raum erschaffen, in dem der andere sich selbst erlaubt, aufzuräumen.

Ich kann auch bei der Klientin kein Loslassen erwirken, keinen Prozess beenden oder Veränderung beschleunigen. Jeder, der damit wirbt, spielt mit dem Feuer. Wenn der Klient nicht will, geht gar nichts.

Ich fokussiere also das, was sich durch mein Tun tatsächlich manifestieren kann. Wenn es mir gelingt, mich gedanklich voll darauf auszurichten, werde ich damit erfolgreich sein. Wenn ich mich darauf ausrichte, meine Klienten zu heilen, wird ganz viel von meiner Energie verpuffen und nicht von Nutzen sein, da ich etwas tun will, was nicht in meiner Macht liegt. Und es ist so verlockend, heilen zu wollen und meiner Klientin, die ja Heilung sucht, zu versprechen oder wenigstens zu suggerieren, dass ich sie mit Shiatsu heilen kann.

 

Autor: René Fix, Leiter des kiCollege

So schwer und doch so leicht

So schwer und doch so leicht

Wir hatten am vergangenen Wochenende ein wundervolles Workshopwochenende mit Kyoko Kishi. 26 Teilnehmer*innen, die zum Teil ihre Sei-ki – Erfahrungen vertieft haben oder diese Arbeit ganz neu kennengelernt haben.

Sei-ki ist sehr einfach und sehr schwer zu gleich.

Einfach, weil es kaum etwas zu wissen gibt und man nur dem folgt, was jetzt ist. Es gibt keine konzeptionelle Herangehensweise. Man verbindet sich mit der eigenen Kraft, findet eine möglichst spannungsfreie Haltung und verbindet sich mit dem Behandlungspartner oder der Behandlungspartnerin. Es entsteht Raum, das Atmen verändert sich, es zeigt sich ein Punkt und eine innere Bewegung. Der Geist ist leer und man ist in tiefem Kontakt mit dieser Bewegung. Man beobachtet. Ist im Hier und Jetzt. Es gibt nichts zu tun. Man muss nichts wissen über Meridiane oder Physiologie. Man muss nicht analysieren und diagnostizieren, um dann eine bestimmte Vorgehensweise umzusetzen. In diesem Sinne basiert die Herangehensweise nicht auf einem Konzept. Es geschieht einfach. Ganz natürlich. Und das heißt nicht, dass es beliebig ist. Ganz im Gegenteil. Es ist sehr konkret und für die Behandlerin im besten Fall absolut eindeutig, was geschieht.

Und hier kommt die Schwierigkeit. Eindeutig ist etwas nur, wenn keine Zweifel im Kopf sind. Doch wir sind denkende Wesen, die gerne analysieren und beurteilen und sehr gerne auch Zweifeln. In der Analyse, im Urteilen, im wissensbasierten Handeln und im Zweifel findet kein Sei-ki statt. Der Kopf muss leer sein, könnte man sagen. Doch das ist er selten. Kaum jemand kann diesen „Zustand“ der Leere oder Ich-Losigkeit über längere Zeit aufrecht erhalten. Doch es gibt noch einen Zwischenweg: Wir haften nicht an. Die Gedanken kommen und gehen. Wir lassen sie ziehen und identifizieren uns nicht mit ihnen. Wir nutzen sie nicht für eine Bewertung der Situation oder der anderen Person. Wir widmen uns dem Sein und nicht dem Tun. Dies ist ein Training. Manchen gelingt das leichter, für andere stellt sich hier eine große Herausforderung.

Immer wieder kamen in dem Workshop Fragen nach Meridianen, Akupunkturpunkten und weiteren Zusammenhängen. Hier endet Sei-ki.  

Sei-ki ist die große kraftvolle Einladung, auszusteigen aus dem Denken. Der Körper weiß alles. Er hat das volle Potential, sich selbst zu regulieren. Als Sei-ki – Praktizierende erkennen wir das an. Wir wissen das. Ohne Zweifel. Und wir geben uns dem hin. Und so gibt es kein Tun im Sei-ki. Wir sind mit der Klientin und geben dem Raum, was ist. Und erneut weise ich darauf hin, dass das nicht beliebig ist. Wir geben nicht einfach nur „irgendwie“ Raum.

Die biologischen Regulationsmechanismen folgen einem Plan. Der Körper hat ein ganz klares Vorgehen, z.B. einen gebrochenen Knochen zu reparieren. Blutung, Entzündung, Hormonausschüttung,  Knochenbildung, Knochenhärtung, etc.

So ist das bei allen physiologischen Vorgängen im Körper. Es gibt einen „Vorfall“ und es startet ein „Programm“. Und das gilt genauso für psychische, emotional oder spirituelle Vorgänge. Sie sind von körperlichen Vorgängen nicht zu trennen.

Die Kunst ist nun, dem Raum zu geben, was jetzt ansteht. Und wir müssen nicht wissen, was das ist. Wir müssen es nicht benennen können. Doch wir müssen im Sei-ki fühlen und erkennen, welcher inneren Bewegung jetzt große Aufmerksamkeit zukommen muss, um dieser Bewegung Raum zu geben.

Dazu müssen wir den Kopf leer bekommen. Es ist ein der Intuition ähnlicher Zustand. Es ist klares Wissen ohne Wissen. Wenn Du an einer roten Fußgängerampel stehst, neben Dir ein Kind und auf der Straße schnelle Autos und dieses Kind auf einmal losläuft, weißt Du, was zu tun ist. Du schnappst das Kind am Kragen und ziehst es zurück. Noch einen Moment zuvor hast Du nicht darüber nachgedacht. Kein Wissen war grundlegend für Dein Handeln. Doch Dein Handeln war klar und eindeutig.

Du kennst vielleicht den Satz aus dem Tao Te King: Das Tao das beschrieben ist, ist nicht das Tao.

Ein verrückter Satz irgendwie. Denn er steht in einem Buch über das Tao.

Es ist so ähnlich mit Sei-ki. Das Sei-ki das beschrieben ist, ist nicht das Sei-ki. Und doch schreibe ich darüber.

Ich bitte, dies zu entschuldigen… 🙂

 

Autor: René Fix, Leiter des kiCollege

Körpergeist

Körpergeist

Körpergeist ist eins.

Kalligrafie von Akinobu Kishi
Quelle: “Sei-ki, das Verborgene in der Kunst des Shiatsu. In Resonanz mit dem Leben.” von A. Kishi und A. Whieldon

 

 

Sei-ki ist Körperarbeit. Es gibt keine Trennung von Körper, Geist und Seele. Alles ist eins. Dein Wesen manifestiert sich in Deinem Körper.

Wir berühren den Körper.
Alles wird berührt.
Wir berühren die Seele. Sie scheint in jeder Zelle.
Wir sind verbunden: Nicht A mit B oder Körper mit Geist.
Wir sind verbunden im Eins-Sein.
Wir sind verbunden im Sein.

Und es ist so schwer zu verstehen für uns.

 

 

 

Autor: René Fix, Leiter des kiCollege

 

Zen, Shiatsu und die Kunst des Clowns

Zen, Shiatsu und die Kunst des Clowns

Ein Zen-Meister geht die Straße entlang. Ein Clown kommt aus der anderen Richtung. Sie treffen sich. Woher wissen sie, welcher der Zen-Meister und welcher der Clown ist?

Dies ist ein Koan, den ich mir gerade ausgedacht habe, inspiriert vom außergewöhnlichen Leben von Bernie Glassman, dessen Kombination aus Zen und Clowning faszinierende Möglichkeiten für die Betrachtung von Shiatsu eröffnet. Glassman hatte einen jüdischen Hintergrund in New York und fühlte sich in den 1970er Jahren zum Studium des Zen hingezogen, als das Interesse daran gerade erst begann, sein exponentielles Wachstum im amerikanischen Volksbewusstsein zu entwickeln. Er arbeitete in Los Angeles als Luftfahrtingenieur und wurde Schüler von Maezumi Roshi, einem engagierten jungen japanischen Zen-Priester, der als Kind Englisch gelernt hatte, indem er mit den amerikanischen Besatzungssoldaten Zeit verbrachte, die im Zen-Tempel seines Vaters in Japan untergebracht waren. Glassman tauchte ein ins Zen, studierte fünfzehn Jahre bei Maezumi und wurde selbst zum Zen-Priester geweiht. Bald darauf erfuhr er Widerstände im „Zen-Establishment“ und geriet in Schwierigkeiten, da er seine eigene Form des Buddhismus verfolgte, die ein hohes Maß an sozialem Engagement beinhaltete. Nach seiner Rückkehr nach New York eröffnete er eine Bäckerei, um Arbeitslosen wieder in Lohn und Brot zu helfen. Aus dieser Bäckerei wurde schließlich ein philanthropisches Unternehmen im Wert von mehreren Millionen Dollar. Später war er Mitbegründer von Zen Peacemakers, einer internationalen Gruppe, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Zeugnis und Heilung an Orten von Konflikten und Leiden zu bringen, einschließlich jährlicher Besuche in Auschwitz mit multireligiösen Gruppen.

 

Vom Trauma zum Clowning

Nun, wie wurde er Clown? In Gesprächen sei ihm aufgefallen, dass die Personen, die er in verantwortliche Positionen in Zen-Organisationen berufen hatte, sich selbst zu ernst nahmen. Er brauchte einen Weg, um ihnen zu helfen, weniger ernst zu sein. Das ist zweifellos ein Grund und weist auf eines der Schlüsselprinzipien des Clowns hin – und ebenso des Shiatsu. Versuche niemals, Probleme zu lösen, spiele einfach damit, bis sie sich selbst lösen. Ein Blick auf Glassmans Biografie zeigt jedoch, dass mit ziemlicher Sicherheit mehr dahinter steckt. Innerhalb von nur drei Jahren, bevor er mit dem Clowning begann, erlitt er zwei traumatische Trauerfälle. 1995 starb sein Lehrer Maezumi plötzlich und verblüffend – mit ziemlicher Sicherheit ein Selbstmord – und hinterließ ein Testament, das Glassman zum Leiter seiner White Plumb – Gemeinde ernannte. Dann, im Jahr 1998, nachdem Glassman gerade mit seiner Frau, der Zen-Lehrerin Sandra Jishu Holmes, von New York nach New Mexico gezogen war, in ein Haus, das sie sich als friedliches und schönes Refugium von den Belastungen ihrer Doppelkarriere vorgestellt hatte, erlitt sie einen Herzinfarkt und starb im Alter von nur 57 Jahren. Glassman – dessen Terminkalender normalerweise zwei Jahre im Voraus ausgebucht war – war zutiefst geschockt, kündigte alle seine Verpflichtungen und setzte sich einfach so lange mit seiner Trauer in Verbindung, wie es dauerte.

Bald darauf begann sein Studium des Clowns. Der Lehrer, den er fand, war Moshe Cohen, der nicht nur klassisches und modernes europäisches Clowning studiert hatte, sondern auch das japanische Kyōgen, eine Art komischer Gegenpart zum sehr formale Nōh-Theater, und Butoh, die moderne japanische Tanzform, die für ihre völlige Körperlichkeit und rohe emotionale Ehrlichkeit bekannt ist. Vielleicht war es sein Bekenntnis zu dieser gleichen Art von Ehrlichkeit, die Glassman zum Clownsspiel verleitet hat. Was auch immer auf der Bühne passiert, du akzeptierst es, begrüßt es, spielst damit, baust darauf auf. Dies stimmte eindeutig mit Glassman überein, dem sozial engagierten Buddhisten und Friedensaktivisten. Bei den Reisen, die er mit Gruppen nach Auschwitz organisierte, zu denen die Kinder der Überlebenden des Lagers und der dort tätigen SS-Wachen gehörten, ging es darum, gemeinsam Wege zu finden, um alles, was geschehen war, zu bezeugen und zu akzeptieren, eine gemeinsame Menschlichkeit und eine mitfühlende Beziehung zu finden im Angesicht des Schlimmsten, was die Menschheit tun kann.

Cohen stellte für sich fest, dass es, nun einen Zen-Meister als Schüler zu haben, seine Lehre veränderte. Bis dahin hatte er sich darauf konzentriert, darstellende Künstler auszubilden. Innerhalb weniger Jahre fingen er und Glassman an, Clowning Your Zen – Workshops zu unterrichten. Sie halfen allen, von buddhistischen Mönchen bis hin zu Unternehmensteams, wenn sie nicht erleuchtet werden wollten, dann zumindest, sich „aufzuhellen“ und die Grundprinzipien des Clowning zu nutzen, um eine Art und Weise der Kommunikation zu entwickeln, die geprägt ist von Achtsamkeit und Miteinander, um besser für einander und sich selbst zu sorgen.

 

Der Zen-Clown macht Shiatsu

Was würde also passieren, wenn wir diesen Zen-Clown-Ansatz in die Art und Weise bringen, wie wir Shiatsu lernen, lehren und üben? Schauen wir uns vier Grundprinzipien an und wie wir sie anwenden können. Das erste können wir Leere nennen. In der reinsten Form des Clowns betrittst du die Bühne ohne Drehbuch, ohne Agenda, ohne Plan und ohne Ego. Du bist einfach da, anwesend, hörst mit deinem ganzen Körper zu und bist bereit zu antworten. Der Raum, den du betrittst, ist bis auf ein einfaches Objekt – ein Stück Stoff auf dem Boden, einen Stuhl, einen Besen – ebenfalls leer. Deine Aufgabe ist es einfach, sich authentisch mit allem auseinanderzusetzen, was du dort findest. Peter Brook, einer der innovativsten Theaterregisseure seiner Generation, beginnt sein Buch „Der leere Raum“ damit, dass jeder leere Raum zur Bühne wird, sobald jemand darüber läuft, während jemand anderes zusieht. Im Shiatsu beginnt etwas zu passieren, sobald ein Klient den leeren Raum betritt, den ich für ihn halte. Das kann subtil sein und leicht übersehen werden, weshalb der Clown – wie der Shiatsu-Praktizierende – mit dem ganzen Körper zuhören muss.

Je mehr wir, wie Reg Ray in ‚Touching Enlightenment‘ sagt, verkörpert sind: ‚Je mehr wir eine weite und sich ausdehnende zwischenmenschliche Welt der Verbindung mit anderen Menschen entdecken … desto mehr spüren wir andere als untrennbar von uns selbst.‘ Und der buddhistische Gelehrte Stephen Batchelor hat darauf hingewiesen, dass diese Art des verkörperten Bewusstseins das ist, was der Buddha selbst ursprünglich meinte, als er sagte: “Ich wohne hauptsächlich in der Leere” … keine Negation des Selbst, sondern voll und ganz in dem verkörperten Raum der eigenen Sinneserfahrung, ungestört von gewohnheitsmäßigen Reaktionen. “In der Leere zu verweilen”, sagt Batchelor, “bringt uns fest auf die Erde und zurück in unseren Körper. Es ist eine Möglichkeit, die Augen zu öffnen und gewöhnliche Dinge wie zum ersten Mal zu sehen. ‘ Das ist definitiv die Art von Leere, in der sich der Zen-Clown aufhalten will.

 

‚Ja, und…‘

Wir könnten die zweite Fähigkeit Akzeptanz nennen. Aber wenn man dieses etwas langweilige Substantiv verclownt, verwandelt sich dies in ein energiegeladenes „Ja, und …”.
Die interaktive Kernkompetenz im Clowning ist, wie bei jeder Form der Theaterimprovisation, die Fähigkeit, zu jedem Angebot Ihres Clowning-Partners (oder in unserem Fall des Shiatsu-Kunden) „Ja“ zu sagen. Clowns spüren alle Emotionen tiefer als jeder andere, aber sie haben auch die Fähigkeit, bei diesen Emotionen zu bleiben, ohne sie zu unterdrücken oder zu ignorieren, bis etwas Positives aus der Tiefe auftauchen kann. “Ja, und …” ist eine außerordentlich wirksame Methode, um die Konversationsverbindung zu verstärken, oder im Fall von Shiatsu Ihre Verbindung mit Qi. Wenn ich mit der Idee von „Ja, und …” verbunden bin, während ich meinen Klienten berühre, erinnere ich mich daran, nicht nur offen zu sein, sondern auf fast ästhetische Weise wertzuschätzen, was meine Sinne mir über diesen Punkt und diese Person erzählen. Zudem ermöglicht es dem Qi des Kunden, mir auf direkteste und ehrlichste Weise zu antworten. Tatsächlich ist “Ja und …” eine Achtsamkeitspraxis für sich.

Der dritte Raum, Nicht-wissen, ist eine Fortsetzung dieser meditativen Verbindung. Wenn du dir erlaubst, nichts zu wissen, von dem du glaubst, dass du es wissen solltest, ist das, als würdest du unter Wasser schwimmen, in einem völlig anderen Element, in dem dich keine Geräusche der Oberflächenwelt ablenken können und du dich ganz auf deine direkte Sinneserfahrung konzentrieren kannst. Sowohl beim Clowning als auch beim Shiatsu wird daran erinnert, dass Wissen nicht vom Kopf kommt und dass es Zeit ist, wieder auf den ganzen Körper zu hören. Dies ist eine Einladung, sich aus dem reinen “Anfängergeist” zu öffnen, in dem es überhaupt keine Karten oder vorgefassten Vorstellungen gibt. Natürlich brauchen wir im klinischen Shiatsu unseren Experten, der es der linken Gehirnhälfte ermöglicht, Dinge zu benennen und in Kategorien einzuteilen. Die Sprache ermöglicht es uns, unsere Erfahrung zu konzipieren, zu manipulieren und zu bearbeiten und die Art von Verbindungen herzustellen, die wir vielleicht nicht herstellen könnten, wenn wir vollständig ‚im Moment leben‘ würden, wie die Idee der Achtsamkeit das manchmal zu implizieren scheint. Die Sprache trennt uns aber auch von unserer unmittelbaren Erfahrung der Sache, die wir mit der Sprache benennen und im Shiatsu brauchen wir diese unmittelbare Erfahrung mehr als alles andere. Die Berührung bringt uns zurück zum Körpergeist und zur Fähigkeit der rechten Hirnhemisphäre, empathische Verbindungen herzustellen. Stephen Batchelor beschreibt dies als: „Eine lebendige Wachsamkeit, die … an der Schwelle zwischen ‚es ist‘ und ‚es ist nicht‘ schwebt und sich dem verführerischen Reiz der Gewissheit widersetzt.“ Dieser Raum des Nichtwissens ist also eine Einladung, uns zu trainieren, in der Lage zu sein, die Leere zu bewohnen oder von ihr bewohnt zu werden, bevor Namen oder Bezeichnungen auftauchen (wobei wir uns natürlich immer daran erinnern, dass ‚Leere‘ auch nur ein weiterer Name ist).

 

Spielen, nicht reparieren

Das vierte Prinzip, Nicht-Tun, mag paradox erscheinen, um die Verspieltheit zu beschreiben, die das Markenzeichen des Clowns ist, aber es ist auch die Kernbotschaft des Tao Te King, dem eigentlichen Lehrbuch darüber wie das mit dem Qi funktioniert – zugegeben, so wird es selten beschrieben – ein sehr spielerisches Buch. Wer, außer einem Clown, würde Ihnen sagen, dass es unmöglich ist, über das Thema seines Buches zu schreiben? Aus der Sicht des Clowns bedeutet Nicht-Tun, niemals zu versuchen, ein Problem zu lösen, sondern einfach mit ihm zu sein und kreativ damit zu spielen, bis es einen Weg findet, sich selbst zu lösen. Für mich ist dies eine perfekte Erinnerung daran, wie wir im Shiatsu arbeiten, nicht pathologisieren oder versuchen, das Qi zu kontrollieren, sondern einfach respektvoll mit der Energie in einem System präsent zu sein und es seine eigenen Verbindungen herstellen zu lassen. Das ist Nicht-Tun in Aktion.

In seinen späten Siebzigern hatte Glassman einen Schlaganfall, der die rechte Seite seines Körpers und seine Sprache stark beeinträchtigte. Er wandte seine Zen-Clown-Prinzipien auf das an, was das Leben gerade auf ihn geworfen hatte und arbeitete jeden Tag mit Feldenkrais-Übungen, die häufige Ruhephasen beinhalteten, damit das Gehirn verarbeiten konnte, was der Körper gerade getan hatte. In diesen Ruhephasen befand sich Glassman in einem tiefen Zustand des Nichtwissens auf einem Niveau, das er noch nie zuvor erlebt hatte. Er überraschte seine Reha-Therapeuten mit dem Tempo, mit dem er sowohl Bewegung als auch Sprache wiedererlangen konnte. Monate später kamen einige Freunde zu Besuch und in dem Gespräch fragte ihn jemand, wie so oft in dieser Art Geschichten: „Was ist die Essenz von Zen?“ Glassman sah sie an und bemerkte, obwohl er seine Sprache vollständig zurückerlangt hat, dass er keine keine Ahnung hatte, was er sagen sollte. Die Frage wurde ihm unzählige Male gestellt und er hatte nie Probleme, sie zu beantworten. Jetzt wusste er nur noch, dass er es fühlen konnte, aber keine Worte hatte, um es zu beschreiben. “Was das für mich getan hat, war riesig”, sagte er später. „Ein riesiges Gefühl der Freude. Oder ein Gefühl von … mein Gott! Ich weiß nicht, was das ist, und jetzt kann ich es herausfinden … das ist es, woran ich mich erinnere, dieser Zustand, in dem ich gerade war: Wow. Ich habe eine neue Chance zu klären, was das bedeutet.“

 

„Ein andauernder Fehler …”

Im Shiatsu zieht uns der verbale Verstand immer wieder in seine eigene Art des Denkens zurück, in Routine und Technik, auf der Suche nach Gewissheit und nach gewünschten Ergebnissen. Zen entstand als Reaktion auf diese Art des Denkens, und genau wie Zen es im Laufe der Jahrhunderte für notwendig hielt, sich zu „erfrischen“ (im Westen zu sein, war eine Möglichkeit, dies zu tun), können wir im Shiatsu die Prinzipien des Zen-Clowns verwenden, um unsere Art und Weise, mit den Klienten zu sein, zu erfrischen und neu anzugehen – immer wieder in die Leere zurückkehren und zu allem Ja sagen, was kommt, ohne wissen zu müssen, was es ist oder wie man es in Worten beschreibt. Und wenn es darum geht, kreativ zu spielen, gibt es noch eine weitere geheime Zutat: gerate in Schwierigkeiten und fürchte dich nicht vor Fehlern. Das ist es, was Clowns lustig macht und, wie der Zen-Meister Dogen aus dem 13. Jahrhundert sagte, “Zen ist ein andauernder Fehler“.

Autor: Nick Pole, Shiatsupraktiker und -lehrer in London, GB, www.nickpole.com

Nick Poles Arbeit integriert Shiatsu, Clean Language und verschiedene achtsame Ansätze. Er verfügt über mehr als 25 Jahre Erfahrung in der östlichen und westlichen Form der Geist-Körper-Therapie und hat auch eine Ausbildung in achtsamer kognitiver Therapie absolviert. Er ist der Leiter von London Mindful Practitioners, einer gemeinnützigen Hilfsgruppe für Angehörige der Gesundheitsberufe, die Achtsamkeit in ihrer Arbeit einsetzen. Sein Buch „Words That Touch – How to ask questions your body can answer“ (2017) ist ein umfassender Leitfaden zur Verwendung von Clean Language in der Geist-Körper- Therapie.

 


Mit freundlicher Genehmigung von Nick Pole.
Dieser Artikel wurde zuerst im Shiatsu Society Journal, GB Autumn 2019 Issue veröffentlicht.

 

Die Sprache der Seele

Die Sprache der Seele

Er hat volles Haar, trotz seines Alters. Wann immer er das Gefühl hat, dass sein Haar zerzaust ist, schiebt er es sanft an seinen Platz zurück, denn das Haar muss in Ordnung sein, es ist, was seinen Kopf nach oben hin verschließt und nicht zulässt, dass seine endlosen Gedanken, das Geräusch von quietschenden und kreischenden Stimmen und das Geräusch von panisch herumfliegenden Vögeln sich in dem Raum auflösen, der über ihm klafft.
Er weiß, dass die Gedanken in ihrem Käfig herumflattern, also in seinem
Kopf, und wenn nur, selbst für einen Moment, das Haar nicht an seinem Platz ist, werden sie in alle Richtungen davonflattern, und der Körper, den sie verlassen, wird leer sein und sein Inhalt wird im Raum versickern, selbst in den kleinsten Zwischenräumen auf der Fläche unter seinen Füßen, egal wo er sich aufhält oder worauf er steht oder liegt, wo immer sich ein Zwischenraum findet, dorthin wird er verschwinden.

Rami Yulzari

Diese Beobachtung hat Rami Yulzari, ein Shiatsutherapeut aus Israel, sehr poetisch niedergeschrieben in einem noch nicht veröffentlichten Text „Pictures in a Treatment Room“. Sie kann uns eine erste Ahnung davon vermitteln, worum es bei der Sprache der Seele geht: Die Seelensprache gebraucht neben Worten noch viele andere Zeichen und Symbole – hier zum Beispiel eine Geste. Sie ist oft völlig unbewusst, kann aber auch bewusst gemacht und bewusst eingesetzt werden. Sie folgt nicht unbedingt der Logik von Ursache und Wirkung. Ihre Bedeutung hat viele Schichten und Facetten. Dass der Mann in seinem Alter noch so viele Haare hat, wird zunächst einmal physiologische Gründe haben. Und dass er seine Frisur immer wieder ordnet, hat vielleicht auch den Aspekt, dass ihm die Haare ins Gesicht hängen und stören oder dass er „ordentlich“ aussehen möchte. Und gleichzeitig kann diese Geste noch auf vieles andere aus dem Seelenraum des Mannes hinweisen, vielleicht seine Angst davor, den Halt zu verlieren und sich in Nichts aufzulösen. Und der „Zuhörer“ der Sprache folgt in seiner Wahrnehmung seinen eigenen Assoziationen und nimmt jeweils nur einen – vielleicht sogar verzerrten – Ausschnitt wahr von dem, was die Seele gerade zum Ausdruck bringt.

Auch wird schon hier sichtbar, dass die Sprache in zwei Richtungen wirkt. Sie bringt etwas Seelisches zum Ausdruck, hier in Form einer Geste, die auch vom Beobachter wahrgenommen und gedeutet wird. Gleichzeitig wirkt etwas Äußeres, das geordnete Haar, auf die Seele ein, bringt ihr vielleicht Sicherheit. Später wird dies an weiteren Beispielen, z.B. (inneren und äußeren) Bildern oder Musik noch deutlicher werden.

Was soll „Seele“ bedeuten in diesem Zusammenhang?

Ganze Bibliotheken füllen sich mit Abhandlungen zu diesem Thema, doch führen akademische Auseinandersetzungen uns hier wirklich weiter? Ich möchte den Begriff Seele bewusst vage lassen, weist er doch auf etwas hin, das sich scharfen Eingrenzungen entzieht.
Umgangssprachlich bedeutet „Seele“ meist die Gesamtheit der emotionalen und geistigen Vorgänge in einem Menschen. Gleichzeitig weist der Begriff oft auf eine Instanz hin, die all diesen psychischen Vorgängen zugrunde liegt, ihnen Struktur gibt und verbunden ist mit transpersonalen Bereichen, also Bereichen, die über den einzelnen Menschen hinausreichen. Lassen wir es dabei bewenden und wenden uns zunächst weiter den Ausdrucksformen des Körpers zu.

 

Körper und Seele im Wechselspiel

Wir alle kennen solche Vorgänge: Es ist früher Abend. Das zweijährige Kind, das den ganzen Nachmittag voll Energie und bester Laune war, fängt an zu quengeln. Alles ist nicht richtig, es verlangt nach etwas zu trinken, nein, kein Wasser, sondern Saft, nein, keinen Orangensaft, sondern Apfelsaft, nein, nicht aus dem Glas, aus der Tasse, der Apfelsaft schmeckt gar nicht….. Ja: Müde Menschen werden oft unleidlich.

Oder: Sie haben lange nichts gegessen. Nun müssen Sie noch einkaufen. Sie laufen ziellos durch den Supermarkt und können sich nicht entscheiden, was Sie heute Abend kochen wollen. Vielleicht packen Sie sich den Einkaufswagen wahllos randvoll mit Dingen, die Sie gar nicht brauchen und normalerweise nie kaufen würden. Ja: Unterzuckerung vermindert die Entscheidungsfähigkeit.

Oder: Ein bisher völlig gelassener Mensch entwickelt eine Überfunktion der Schilddrüse. Er wird immer ungeduldiger, reizbarer und schimpft über jede Fliege an der Wand.

An diesen Beispielen zeigt sich, wie stark körperliche Vorgänge auf das Seelenleben einwirken. Doch dies soll hier nicht unser vorrangiger Fokus sein, denn es geht uns ja um die Sprache der Seele, also die Frage, wie die Seele sich über körperliche Vorgänge zum Ausdruck bringt. Dabei wissen wir genau, wie wechselseitig und wie wenig zu trennen die Beziehungen zwischen Körper und Seele sind.
Schauen wir uns nun die Körpersprache etwas genauer an.

Schon in der Körperhaltung, in der Körperspannung und im Tempo der Bewegungen zeigt sich dem genauen Beobachter, wie es einem Menschen gerade geht. Läuft der Mensch krumm oder aufrecht? Hält er den Kopf schief, gebeugt oder hoch? Ist der Körper angespannt oder schlaff? Sind die Bewegungen schwungvoll, langsam, zügig, fahrig oder zitterig? Ist die Armhaltung verschränkt oder offen? Sitzt er breitbeinig da oder mit verschränkten Beinen?

Viele Forschungsergebnisse weisen auf die Bedeutung der Körpersprache hin. Anfang der 1970er Jahre zum Beispiel stellte der amerikanische Psychologe Albert Mehrabian die 7-38- 55-Regel auf. Sie besagt, dass nur 7% einer Information den Empfänger über die mündliche Sprache erreicht, 38% über die Qualität der Stimme und 55% über die Körpersprache. Dieses Wissen wird in Bewerbungs- und Verkaufsgesprächen, Reden, Verhören usw. oft bewusst oder auch unbewusst eingesetzt.

Ganz wichtig zu bedenken ist Folgendes: Für die Körperhaltung gilt wie für jede andere Ausdrucksform, für jedes Symbol: Die Bedeutung ist nicht eindeutig festgelegt. Zwar werden kulturübergreifend viele Körperhaltungen, Gesten, Gesichtsausdrücke oft ähnlich verstanden und haben auch genetische Komponenten, doch für den einzelnen Menschen kann einem bestimmten Körperausdruck eine ganz persönliche Bedeutung zukommen, die sich vom allgemeinen Verständnis klar unterscheidet.

So gilt es immer genau hinzuspüren und nachzufragen: Wie geht es dir, wenn du so gebeugt sitzt, wenn du so breitbeinig dastehst, wenn du denn Kopf schief hältst? Was würde diese Haltung sagen, wenn sie sprechen könnte? Versuche einmal, diese Haltung zu übertreiben. Wird etwas deutlich? Interessant kann es auch werden, wenn man versuchsweise einmal die Haltung ändert und nachspürt, ob und wie sich das auf Stimmung oder Energetik auswirkt.

Auch „Gesten sind sichtbar gewordene Gedanken,“ sagt der Pantomime Marcel Marceau. Ich würde den Satz gerne ausweiten auf Gefühle, Stimmungen und Visionen. Sie können bewusst als Signal eingesetzt werden, z.B., wenn man jemanden herbeiwinkt, oder unbeabsichtigt Informationen übermitteln, z.B. wenn jemand gähnt oder sich am Kopf kratzt.

Gesten sind stark kulturell überformt und führen leicht zu Missverständnissen. Bilden wir mit dem Daumen und dem Zeigefinger ein O, so bedeutet das in Nordamerika und auch in Deutschland „okay“, in Frankreich hingegen „null“ oder „wertlos“, in Japan ist es ein Zeichen für „Geld“. Hüten sollte man sich vor dieser Geste in Russland oder in Lateinamerika. Dort hat sie einen stark sexuellen Bezug.

Und ein und dieselbe Geste kann je nach Situation oder Person ganz Unterschiedliches zum Ausdruck bringen. Das Zurechtrücken der Haare im Beispiel oben kann insbesondere bei Frauen auch ein Flirtsignal sein oder einfach eine Abfuhr von Spannungen wie es bei kleinen Kindern das Daumenlutschen ist.

Auch zum Verständnis von Gesten trägt es bei, wenn man ihnen einmal nachspürt oder wenn man sie versuchsweise kräftig übertreibt.

Emotionspsychologen wie Paul Ekman und Carrol Izard sind sich heute weitgehend einig, dass es grundlegende Emotionen gibt, deren mimischer Ausdruck weltweit und kulturunabhängig verstanden wird. Dazu gehören Trauer, Wut, Freude, Ekel, Überraschung, Verachtung und Angst. Der Ausdruck ist genetisch verankert und braucht nicht gelernt zu werden. Dennoch gibt es auch hier kulturelle und individuelle Überformungen. Denn es ist kulturell und individuell durchaus unterschiedlich, inwieweit eine Emotion ausgedrückt oder aber maskiert wird. Und dann findet man ja auch Mischungen von mehreren Emotionen, deren Ausdruck sich gegenseitig überlagert, vermischt oder gegenseitig aufhebt.

Abbildungen zum Ausdruck grundlegender Emotionen finden sich in dem Buch „Die Emotionen des Menschen“ von Carrol Izard, das ich vor vielen Jahren übersetzt habe. Hier sind einige Beispiele:

Um einen Gesichtsausdruck zu verstehen gibt es neben der genauen Beobachtung und dem Abgleich mit bisherigen Erfahrungen auch die Möglichkeit, ihn zu kopieren, evtl. zu übertreiben und nachzuspüren, welche Emotionen sich einstellen.

Wer sich noch genauer mit dem Thema Körpersprache befassen möchte, findet interessante Artikel und Links auf folgender Webseite:
https://www.dasgehirn.info/handeln/mimik-koerpersprache/reden-ohne-worte

Auch durch die Stimme kann sich die Seele bemerkbar machen. Die gleichen Worte können eine unterschiedliche Bedeutung haben, je nach Lautstärke, Stimmlage, Geschwindigkeit, Betonung usw. Auch können ganz unterschiedliche Facetten eines Menschen zum Ausdruck kommen, je nachdem, welche Sprache er benutzt: Deutsch, Italienisch, Japanisch, Arabisch…. Das liegt nicht nur an den unterschiedlichen Bedeutungsräumen, die Wörter in unterschiedlichen Sprachen erschließen, sondern auch an der Sprachmelodie und an der in der jeweiligen Sprache üblichen Lautstärke.

Dem, was sich über die Stimme zum Ausdruck bringen möchte, kann man sich zum Beispiel über das Kauderwelsch nähern: Versuchen Sie einmal, das was Sie gerade bewegt, ohne Worte in Kauderwelsch auszudrücken. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Sie selbst und auch Ihr Gegenüber die Bedeutung dessen, was gesagt werden will, durchaus erfassen, auch wenn die einzelnen Worte oder Sätze keinerlei Inhalt haben.

Um Ihnen einen Zugang zu dem Thema Körperempfindungen und Körpersymptome als Ausdruck der Seele zu ermöglichen, schlage ich Ihnen eine kleine Übung vor:

Machen Sie es sich bequem und denken Sie an einen beliebigen Menschen aus Ihrem Bekanntenkreis, der in Ihrem Leben eine wichtige Rolle spielt. Nennen wir ihn Christoph. Zoomen Sie diesen Menschen und Situationen, die Sie mit ihm verbinden, so nah wie möglich heran. Und nun achten Sie auf das Körpergefühl, das sich bei Ihnen einstellt, sozusagen die innere Aura. Dieses Gefühl umfasst „alles über Christoph“. Wiederholen Sie diesen Vorgang mit einem anderen Menschen, vielleicht Rita. Achten Sie auch hier auf das Körpergefühl von „alles über Rita“, das bei Ihnen entsteht. Sie werden feststellen, dass es dabei nicht um eine Aneinanderreihung von einzelnen Daten geht wie Körpergröße, Augenfarbe oder Stimme, sondern dass dieses Gefühl alles umfasst, was Sie momentan bezüglich Rita oder Christoph wissen und fühlen.

Diese Übung stammt von Eugene Gendlin. Er nennt das allgemeine, umfassende Körpergefühl, welches sich zu einer Situation, einer Person oder einem Problem einstellt „Felt Sense“ und hat eine Methode entwickelt, mit diesem Körpergefühl umzugehen und als Ausdruck der Seele zu verstehen. Diese Methode der Selbstwahrnehmung nannte er Focusing.

Ganz kurz umrissen geht es beim Focusing um 6 Schritte:

  1. Einen Freiraum schaffen: Fragen Sie sich, was Sie im Leben gerade besonders beschäftigt oder prüft. Lassen Sie spontan aufsteigen was sich als erstes meldet. Sagen Sie zu sich selbst: “Ja, diese Angelegenheit gehört auch zu meinem Leben, aber für einen Moment setze ich sie erst einmal ab“. Schaffen Sie innerlich einen kleinen Abstand zwischen sich und der Angelegenheit, vielleicht indem sie sie vor ihrem inneren Auge gut sichtbar in ein Regal stellen. Gibt es mehrere Dinge, die auftauchen, verfahren Sie damit der Reihe nach genauso.
  2. Einen Felt Sense kommen lassen: Wählen Sie eine der Angelegenheiten aus, mit der Sie sich nun näher beschäftigen möchten und nehmen Sie das komplexe Körpergefühl wahr, das damit verbunden ist.
  3. Den Felt Sense beschreiben, einen „Griff“ finden: Was für ein Bild, Wort oder Satz entsteht aus diesem Körpergefühl? Oder gibt es vielleicht eine Geste oder ein Gesichtsausdruck?
  4. Genauern: Gehen Sie mit ihrer Aufmerksamkeit zwischen dem Körpergefühl und dem Bild/Wort/Satz hin und her, bis ein kleines körperliches Signal („Body Shift“) ihnen sagt, dass es genau passt.
  5. Hineinfragen: Nun lohnt es sich, direkt in den Felt Sense hinein offene Fragen zu stellen, ohne den Denkapparat großartig zu bemühen. Fragen könnten sein: „Was ist das Eigentliche an der Angelegenheit, der Situation, dem Problem….?“ „Was ist das Schlimmste daran?“
    „Was ist das Beste daran?“
    „Wenn das Gefühl/das Symptom, das Knie….. sprechen könnte, was würde es sagen?“
    „Was braucht das Gefühl/der Felt Sense?“
    „Was wäre ein guter erster Schritt?“
    Ein „Body Shift“ wird Ihnen sagen, welche Antworten aus einer tieferen Wahrheit aufgestiegen sind.
  6. Aufnehmen und tiefer werden lassen: Nun können Sie innehalten und das, was sich in dem Prozess gezeigt hat, erst einmal auf sich wirken lassen Mit welchem Bedürfnis sind Sie in Kontakt gekommen?

 

Traumtheater

Für C.G. Jung, den Begründer der analytischen Psychologie, war der Traum der Botschafter des Unbewussten schlechthin.

Welche Funktionen genau hat der Traum aus seiner Perspektive?

  • Der Traum kompensiert oder ergänzt, was im Leben nicht ausreichen vorkommt. Ein sehr friedlicher, bezogener Mensch träumt z.B. von einem Haifisch, der den Gegenpol der Aggression sichtbar werden lässt.
  • Im Traum reguliert sich die Persönlichkeit. Menschen, die am Träumen gehindert werden, sind spätestens nach drei Tagen wie „neben sich“. Wie sinnvoll es ist, mit seinen Träumen gut in Kontakt zu sein, zeigt ein Experiment am C.G. Jung Institut Los Angeles: Man untersuchte eine Gruppe von Menschen, die ihre Träume regelmäßig aufschrieben und sich ab und zu an sie erinnerten, ohne sie weiter zu deuten. Es zeigte sich, dass diese Gruppe seelisch erheblich ausgeglichener war als die Teilnehmer der Kontrollgruppe, die ihre Träume nicht aufschrieben und ihnen keine Beachtung schenkten.
  • Der Traum bildet die seelische Gesamtlage ab. Wer kämpft gerade mit wem; wer bewegt sich von A nach B; welche Prozesse finden aktuell statt?

 

Aus welchen Quellen speist sich der Traum?

  • Aus dem persönlichen Unbewussten
  • Aus dem familiären Unbewussten: Der Traum kann die Dynamik im Familiensystem
    abbilden.
  • Aus dem kollektiven Unbewussten: Menschen träumen über ihre persönliche
    Wahrheit hinaus etwas, das zum Zeitgeist passt und eine allgemeine Gültigkeit hat.
    Wie kann ich der Bedeutung eines Traumes erfassen?
    Einfache Möglichkeiten sind:
  • Den Traum aufschreiben und einfach auf sich wirken lassen
  • Freie Assoziation: Was fällt mir spontan ein zu dem Traum bzw. zu einzelnen Bildern?
  • Imagination: Den Traum neu bildhaft erleben, neu eintauchen.
  • Sich den Teil heraussuchen, in dem besonders viel Energie steckt, also der mich
    besonders berührt. Diesen genauer betrachten.
  • Identifikation: Sich in einzelne Symbole hineinversetzen, sie von innen fühlen, z.B.:
    ich als Auto/Schiff/Hans-Joachim…. Wie fühle ich mich? Was brauche ich? Wo soll es
    mit mir hingehen?
  • Energiemalerei: Sie kann besonders lohnend sein bei einem Traum oder einzelnen
    Symbol, zu dem man zunächst zu schwer Zugang bekommt.
    Vorsichtig sein sollte man meiner Meinung nach mit Symbollisten und Traumbüchern, die einem genau sagen wollen, welch Bedeutung dieses oder jenes Symbol genau hat. Bei allem Respekt vor der jahrhundertelangen Erfahrung mit vielen Symbolen: immer gilt es vor allem zu schauen: Was bedeutet dieses Symbol in diesem Augenblick für diesen einzelnen Menschen? Das kann von der kulturell überlieferten Bedeutung durchaus abweichen.

 

Im Schatten

Der Traum ist nicht der einzige Botschafter aus dem Unbewussten, dem Schattenreich, das die bewusste Wahrnehmung gerne ausblendet. Im Schatten liegen viele Bedürfnisse, Potenziale und Erfahrungen, die wir zumindest in ihrer barbarischen Form nicht annehmen wollen. Gelingt es uns aber, sie wahrzunehmen und in angemessener Form zu integrieren, gewinnen wir erheblich an Lebendigkeit. Im Schatten liegt oft, was in meinem Leben nicht ausreichend Raum hat. Sehe ich es bei anderen Menschen, regt es mich leicht auf oder aber es fasziniert mich. Häufig ist der Schatten ambivalent. Das, was ich in seiner übersteigerten Form ablehne (z.B. Rücksichtslosigkeit), fasziniert mich in seiner abgemilderten Variante (z.B. Souveränität). In jedem Fall kann es eine befreiende und vitalitätssteigernde Medizin sein, aus den Potenzialen des Schattens zu schöpfen.

Wenn man seinen Schatten annimmt ist es, als ob man von einer Zweizimmerwohnung in eine Fünfzimmerwohnung zieht.

Ken Wilber

 

Welche Wege des Schattenerforschung gibt es noch, abgesehen von der Beschäftigung mit Träumen?

  • Witze zum Beispiel bieten einen guten Zugang zum Schatten. Welche Witze erzähle ich gern? Welche lehne ich ab? Themen sind oft Sexualität, Promiskuität, Dummheit, Brutalität, Langsamkeit. Menschen, die ihre eigene Dummheit fürchten wie der Teufel das Weihwasser, erzählen zum Beispiel oft besonders gerne Witze über Ostfriesen oder Mantafahrer.
  • Eine gute Spur ist immer, dem nachzugehen, was mich an anderen Menschen berührt, sowohl sehr positiv als auch sehr negativ. Verhält sich jemand zum Beispiel besonders Raum greifend und dominant, dann kann ich das zur Kenntnis nehmen, ohne mich weiter damit zu beschäftigen. Dann ist es für mich persönlich kein Thema. Ich kann mich aber auch heftig darüber aufregen oder aber eine große Bewunderung verspüren. In diesem Fall könnte ich einmal der Frage nachgehen, ob ich mir selbst in meinem Leben ausreichend Raum nehme und auf die Bereiche Einfluss nehme, die für mich wichtig sind. Ist dem nicht so, ist es sehr wahrscheinlich, dass ich unbewusst zu dem Mittel der Projektion greife.
  • Einen besonders sensiblen Umgang erfordert die Erforschung dessen, was mir im Außen als „Schicksal“, als „sinnvolle Zufälle“ oder an als Synchronizitäten (Dinge, die gleichzeitig passieren, ohne in einem ursächlichen Zusammenhang zu stehen) entgegenkommt. Beispiel: Ich habe einen wichtiges Bewerbungsgespräch. Als ich losfahren will, ist kein Benzin mehr im Tank, dann stehe ich im Stau und schließlich finde ich keinen Parkplatz. Wenn ich dem nachgehe, kommt es einzig und allein darauf an, welche Bedeutung dieser Aneinanderreihung von Hindernissen für mich selbst stimmig erscheint, und das kann ich weniger auf logischem Weg in Erfahrung bringen als über das Bauchgefühl. Kluge Meinungen von außen können manchmal einen Hinweis bieten, oft führen sie aber auf eine falsche Fährte oder verwirren nur.

 

Kreativer Ausdruck

Gibt es weitere Möglichkeiten für die Seele, sich zu äußern? Nun, manch einer kann weniger im direkten Gespräch zum Ausdruck bringen, was ihm auf der Seele liegt, als mit Hilfe von Metaphern, Märchen oder Gedichten. Für wieder andere ist die Sprache überhaupt nicht das geeignete Medium, wohl aber die Musik, die Malerei, die Bildhauerei oder der Tanz. Und wieder gibt es hier zwei Wege der Kommunikation. Die Seele kann diese Medien nutzen, um sich zu äußern. Oder ich kann diese Kunstformen auf mich wirken lassen und dem nachspüren, was sie in mir berühren und in Bewegung bringen.

Lesen Sie doch bei Gelegenheit noch einmal eines Ihrer Lieblingsmärchen. Welche Szene oder welche Figur berührt Sie besonders? Welche ist Ihnen eher gruselig? Haben Sie Lust, sich dieser Figur für einen Moment zu identifizieren? Wie ist das so als Dornröschen oder als Rumpelstilzchen, als Jäger oder als Zwerg? Welches Bedürfnis verspüren Sie dann? Welches Thema oder Lebensmotto? Ich persönlich war immer wieder fasziniert von Rotkäppchen, das die Warnungen der Mutter in den Wind geschlagen und durchaus einmal vom Weg abgegangen ist. Oder auch vom Jäger als ordnende, fürsorgliche Figur. Übungen dieser Art können zu erhellenden Erfahrungen oder Einsichten führen.

Auf ähnliche Weise kann man Musik, Malerei oder Fotografie nutzen. Man kann sich über Musik oder Malerei ausdrücken, man kann sich aber auch fragen: welches Musikstück oder welches Bild rührt mich irgendwie an? Welche Emotionen, welche Assoziationen, welche Gedanken steigen auf?

 

Erste Schritte

Eine Vielzahl von „Dialekten“ der Seelensprache habe ich Ihnen nun vorgestellt. Manche werden Ihnen leicht zugänglich sein, andere werden Sie kaum verstehen. Und die Liste lässt sich mit Sicherheit noch erweitern und differenzieren. Wie können wir diese Dialekte sinnvoll nutzen? Mein Vorschlag ist: Machen Sie es sich zunächst einmal zur Gewohnheit, denjenigen Dialekten immer wieder genau zuzuhören, die sie bereits gut verstehen. Dem einen sagen Körperempfindungen viel, dem anderen Träume oder das Minenspiel. Schon so kann sich Ihr eigener Erfahrungsraum enorm erweitern und Sie erfassen auch schneller, was andere Menschen wirklich ausdrücken möchten. Nach und nach experimentieren Sie dann mit weiteren Dialekten, alleine oder mit Unterstützung durch einen Therapeuten.

Je besser wir der Seele zuhören können, desto klarer verstehen wir, wer wir wirklich sind, desto weniger leben wir mit unserer Alltagspersönlichkeit an unserer Seele vorbei und desto tiefer wird der Kontakt zu anderen Menschen.

Gute Gründe, der Seele und ihren Ausdrucksformen Aufmerksamkeit zu schenken. Dafür braucht es Entschleunigung und Stille.

 

Der Mensch ist immer mehr, als er von sich weiß. Er ist nicht, was er ein für allemal ist, sondern er ist ein Weg.

Karl Jaspers

 

Autorin: Barbara Murakami, Shiatsupraktikerin und -lehrerin in Düsseldorf, www.shiatsu-murakami.de

 

Zuhören und Beobachten

Zuhören und Beobachten

Was geschieht, wenn wir zuhören? Wir nehmen Information auf. Wir öffnen uns dem Gegenüber und interessieren uns für ihre oder seine Lebenswirklichkeit. Wir lernen etwas über den anderen und erweitern unsere eigene Lebenswirklichkeit. Wir geben der Wirklichkeit Raum. Diese Information beeinflusst uns und verändert, wie wir im Kontakt sind. Zuhören ist kein passiver Vorgang. Wir sind zwar nicht aktiv im Handeln und machen nicht aktiv oder bewusst etwas mit dieser Information, doch unser System reagiert.

Es gibt dieses schöne kleine Beispiel von dem rosafarbenen Elefanten. Ich sage Dir: „Denke jetzt NICHT an einen rosafarbenen Elefanten“ und Du wirst es kaum schaffen, nicht an einen rosafarbenen Elefanten zu denken. Dein Zuhören verändert Deine Gedanken und somit Dein Ki, denn Gedanken sind ebenfalls Ki.

Wenn wir zuhören, geben wir dem Gehörten Raum, und zwar auf ganz individuelle Weise. Du hörst mit Deiner Prägung und Deiner Lebenswirklichkeit anders zu als ich. Und das ist sehr relevant für die Begegnung im Sei-ki. Denn im Sei-ki machen wir vor allem das: Zuhören. Wir machen das weniger mit den Ohren als mit dem ganzen Körper. Wir legen die Hände auf und lauschen hinein in diese Person, die wir berühren. Das ist kein mechanischer Vorgang, sondern ein höchst menschlicher.

Genauso wie beim emphatischen und achtsamen Zuhören im Gespräch machen wir im Sei-ki nichts aktiv und bewusst mit dieser Information. Wir sind Beobachter im reinsten Sinne.

Der deutsche Physiker Werner Heisenberg stellte in seiner Forschung in den 1920er Jahren fest, dass es im subatomaren Bereich ein für unser Realitätsempfinden recht verrücktes Phänomen gibt: Der Beobachter eines Experiments hat einen signifikanten Einfluss auf das, was er beobachtet. Je intensiver und konzentrierter die Beobachtung, umso größer ist der Einfluss. Dies wurde mittlerweile in unzähligen Experimenten nachgewiesen.

Im Sei-ki sind wir sehr konzentriert. Wir beobachten den Menschen mit dem wir arbeiten sehr intensiv. Die Beobachtung ist wertfrei, so gut wir das eben können. Unser System reagiert auf das, was wir beobachten und „hören“ und spiegelt es zurück. Denn auch derjenige, der die Behandlung erfährt ist Beobachter. Und so beeinflussen wir uns gegenseitig. Das ist die Grundlage einer jeden Sei-ki – Behandlung. Und diese wertfreie Beobachtungsgabe zu entwickeln ist die wertvollste Fähigkeit im Sei-ki.

Autor: René Fix, Leiter des kiCollege

 

Fühlen ist Offenheit für das was ist

Fühlen ist Offenheit für das was ist

Im Sei-ki steht das Fühlen im Mittelpunkt. Die Form ist sekundär. Sie kann ablenken. Auch Katsugen kann ablenken. 

Form kann leicht vermittelt werden. Sie ist kopierbar und nachvollziehbar. Doch ohne echtes Fühlen wird die Form zur Illusion. Es wird schwer, in der Praxis zu bleiben und im Kontakt mit dem, was ist, zu bleiben

Um bewusst zu fühlen, braucht es echtes Interesse an der menschlichen Natur und es braucht eine Bereitschaft, urteilsfrei der Realität im jetzigen Moment zu begegnen. Das Fühlen ist somit der Weg ins Leben, denn das Leben findet immer nur jetzt statt. Und das ist einfacher gesagt als getan. 

Wir wollen zwar meist wahr sein und ehrlich uns und anderen begegnen. Doch wir sind es oft nicht. Wir verweilen im Gestern oder strecken uns ins Morgen. Wir wollen besonders gut sein, mit dem, was wir tun oder wir wollen eine Angst oder Nervosität verbergen und dabei souverän aussehen. All das ist kein Problem. Doch wir sind erst in Verbindung mit der Realität, wenn wir dieses Wollen fühlen und anerkennen. 

Auch unser Gegenüber verbirgt sich hinter einer Geschichte, einer Maske und somit hinter einem Wollen. Wir müssen also das sehen, was sich zeigt und das Wollen dahinter erfassen, um hindurch zu gelangen zu dem menschlichen Sein dieser Person.

Das Wollen steht über dem Fühlen und es will in die Manifestation, denn es ist die Realität. Erst wenn die Realität, wie auch immer sie ist, anerkannt wird, kann das Fühlen Raum bekommen. 

Und im Fühlen kommen wir in den Moment – ins Jetzt. 

Jetzt sind wir im Kontakt mit dem menschlichen Wesen, seiner wahren Natur.

Autor: René Fix, Leiter des kiCollege

 

Sprache im Shiatsu – Die Idee von Clean Language

Sprache im Shiatsu – Die Idee von Clean Language

Shiatsu arbeitet mit unserem Körperwissen, mit unserer Intuition. Es berührt, es kann ganz klar sein und einfach. Und doch ist es schwer, das in Worte zu fassen, was es für uns bedeutet.

Shiatsu verstehen wir mit der rechten Seite des Gehirns, Sprache findet sich in der linken. Die Erfahrung von Shiatsu gehört zum Erleben des Augenblicks und ist vergleichbar mit der Wirkung von Natur, Kunst, Musik…

Im Alltag liegt der Fokus oft bei Eindeutigkeit, Struktur, Zuordnung, Benennung.

Und eine Ganzheitlichkeit finden wir da, wo wir beides berücksichtigen. Da wo sich Intellekt mit Weisheit verbindet. Da wo wir über Gefühle sprechen können und Geist, Seele und Körper zusammen gehören.

Wenn wir über unser Körperbewusstsein sprechen können, verbinden wir zwei Welten. Dann laden wir den Verstand bewusst in die Tiefe des Körpers ein, dann nehmen wir die Erfahrung aus dem Shiatsu eindeutig mit nach Hause. Mit der Sprache findet die Gedankenwelt die Tür zum Körper und die Sprache festigt unser Erlebnis.

Ich bin keine Psychotherapeutin, sondern Shiatsu-Praktikerin. Deshalb brauche ich ein einfaches Werkzeug. Einen Weg, der keine Wertung und Interpretation verlangt. Der nichts braucht als den aufmerksamen Zuhörer, der sich zurücklehnt, der den Raum hält, in dem Bewegung stattfinden kann. Eine Sprache, die kein Ziel vorgibt, sondern forscht, wertschätzend und anerkennend. Die sich traut, an Herausforderungen heranzutreten und nicht überfordert. Genau so wie eine Behandlung, die Selbstwahrnehmung und Verantwortung der Klienten stärkt.

Es ist knifflig, und es gibt viele Wege, die Sprache gut ins Shiatsu zu integrieren, sei es z.B. mit Focusing, Somatic Experiencing oder Clean Language. Ich stelle hier Clean Language vor.

 

Die Idee von Clean Language

Das Wesen von Clean Language ist es erstens Bilder und Metaphern zu fördern und zweitens diesen einen Ort zu geben.

Wenn wir Bilder in unserer Sprache benutzen, kommt unser Gefühl mit ins Boot. Wir benutzen dafür nicht nur den Kopf, sondern nehmen es im ganzen Körper wahr. In dem Moment, in dem wir es verorten, im Körper oder im Raum um uns selbst, stärken wir die Beziehung mit unserem Körper.

Das Wesen von Clean Language ist es drittens, nur die exakten Worte unserer Klientin zu verwenden. Damit bleiben wir Zuhörer, die wertschätzen und spiegeln, die nicht interpretieren, sondern den Raum geben für das, was passieren möchte.

David Grove, Psychotherapeut aus Neuseeland, hat in den Achtziger Jahren die Idee von Clean Language entwickelt. Es wurde viel daran geforscht und weiterentwickelt und in unterschiedlichste Bereiche eingeführt. Nick Pole hat es ins Shiatsu gebracht.

Clean Language ist sehr einfach strukturiert. Es gibt etwa ein Dutzend Fragen, die gestellt werden. Sie wurden entwickelt, so wertfrei und offen wie möglich zu sein. Für den Anfang reichen zwei, drei Fragen aus.

Und was für ein…?

Und ist da noch etwas über…?

Und wo ist…?

 

An einem Tag höre ich meinen kranken Sohn. Er hat sich am vorigen Abend mehrmals übergeben und sagt nun: 

– Mein Magen fühlt sich so voll an. Ich möchte so gern etwas essen und ich habe das Gefühl, es ist nur Wasser in meinem Magen.

– Möchtest du, dass ich dazu Clean Language mit dir mache?

– Ja.

– Und ist da noch etwas über deinen Magen, der sich so voll anfühlt?

– Der brodelt so. Ganz wild.

– Und wo ist das Brodeln, ganz wild?

(Er zeigt auf seine Körpermitte und macht Bewegungen mit beiden Händen nach oben und nach außen.)

– Und was für ein Brodeln, ganz wild (Ich begleite die Frage mit derselben Geste, die er gezeigt hat.)?

– Das möchte raus. 

– Und wohin möchte es raus?

(Er überlegt lange, lange.)

– Es möchte frei sein. Es soll ganz weg gehen. (Mit den Händen begleitet er das vom Rumpf horizontal nach außen in den Raum.)

(Ich gebe dem Gefühl noch mehr Zeit.)

– Und wie ist dein Magen jetzt?

– Gut, das bewegt sich.

Eine halbe Stunde später fing er an eine kleine Portion zu essen und hatte keine Magenbeschwerden mehr.

Für mich war es schön zu sehen, mit welcher Aufmerksamkeit er seine Beschwerden anerkannt hat. Und gleichzeitig hatte er die Bereitschaft, seinem Gespür für die eigenen Bedürfnisse zu trauen.

Clean Language selbst verändert hier gar nichts. Clean Language unterstützt aber die eigene Klarheit. Clean Language ist hier das Werkzeug, das hilft, zu sich selbst zu kommen und sich auf sich selbst einzulassen. Sie gibt den Raum und die innere Bewegung kann fließen.

 

Clean Language hören

Clean Language ist eine eigene Sprache, die man üben kann. Die wenigen Elemente, die sie benötigt, kennen wir alle. Die Fragen, die wir stellen können sind nicht ungewöhnlich. Ungewöhnlich schwer ist es nur, auf das andere zu verzichten, was wir gewohnt sind. Keinen Rat zu geben, keine Meinung zu äußern, keine neuen Ideen an unser Gegenüber heranzutragen, kein Umdenken, keinen anderen Blickwinkel zu provozieren, keine Interpretation. Und gleichzeitig wertschätzend und präsent sein. Vom Shiatsu kennen wir die Idee, einen freien leeren Raum zu halten, dass etwas von allein entstehen kann. Mit der Sprache können wir das also auch tun. Es wird sich nicht jeder Klient (gleich) darauf einlassen, und das dürfen wir respektieren.

Eine Klientin sagt: 

– Ich arbeite so viel und ich nehme immer meine Schultern nach vorn. Die sind sowieso etwas nach vorn gesunken, aber das ist zurzeit viel mehr. (Sie zeigt, wie ihre Schultern nach vorn zusammensinken.)

– Und ist da noch etwas über die Schultern, die nach vorn sinken? (Ich spiegele das nach vorn Sinken.)

– Es macht was mit meinem unteren Rücken. Da ist keine Kraft.

– Und gibt es einen Zusammenhang zwischen den Schultern, die nach vorn sinken und deinem unteren Rücken, wo keine Kraft ist?

– Ja. Ich habe keine Zeit, Sport zu machen und deshalb ist es so. Meine Schultern können sich schon öffnen! (Sie richtet sich auf.) Aber wenn ich arbeite, gehen sie wieder so. (Zusammensinken.)

– Und was möchten deine Schultern, das passiert?

– Ich weiß es nicht.

– Und was möchtest du, das passiert?

– Ich möchte, dass sie sich öffnen.

– Und was geschieht, wenn sich deine Schultern öffnen? 

– (Sie öffnet ihre Schultern und sieht dabei etwas unglücklich aus.) Keine Ahnung.

– Und dass sich deine Schultern öffnen, ist wie was?

– (Nach einem Moment lächelt sie zaghaft.) Ich habe ein inneres Bild. Soll ich es sagen?

Bisher hatte ich das Gefühl, dass wir uns mit unserem Gespräch im Kreis drehen. Die Fragen, die ich gestellt habe, haben nicht gepasst. Jetzt scheint es mir aber plötzlich anders. Als würde sie mich einladen, ihrer Welt zu folgen, die sich gerade vor ihr ausbreitet. Also sage ich:

– Ja.

– Es ist wie eine kleine Flamme in mir. (Sie hält beide Hände vor ihr Brustbein, als hätte sie in ihren Händen eine kleine Flamme, die sie vor dem Wind beschützt.) Und es ist so viel Wind von der Arbeit und dem Stress, dass ich die Flamme schütze und meine Schultern nach vorn nehme.

– (Hier wiederhole ich ihre Worte. Gebe dem Bild den Raum und lasse es in mir wirken.)

Und es ist eine kleine Flamme in dir (Ich wiederhole auch die Geste.) Und es ist so viel Wind von der Arbeit und dem Stress, dass du die Flamme schützt und deine Schultern nach vorn nimmst.

Und ist da noch etwas über so viel Wind und die Flamme schützen?

– Die Flamme braucht auch Wind und auch Sauerstoff, damit sie brennen kann. (Sie führt beide geöffneten Hände über die Rippenbögen nach oben zum Brustbein und richtet sich dabei auf.) 

– Und ist da noch etwas über die Flamme, die auch Wind braucht und auch Sauerstoff, damit sie brennen kann?

– Das ist wie das Öffnen und Schließen. (Sie öffnet und schließt langsam und mehrmals ihre Schultern und ihren Brustkorb.)

– Und kann die kleine Flamme brennen, wenn du dich öffnest und schließt?

– Ja. (Sie lächelt entspannt.)

Und was möchtest du, das geschieht?

– Ich möchte, dass diese Flamme geschützt ist und gleichmäßig brennt.

Nach der Shiatsubehandlung frage ich sie noch einmal nach dem Bild.

– Und wie ist deine kleine Flamme jetzt?

– Sie fühlt sich viel ruhiger an. Und es ist ganz gut.

– Und möchtest du dieses Bild mitnehmen?

– Ja.

Der Unterschied zwischen dem bildhaften und dem normalen Sprechen ist hier sehr klar zu erkennen. Und obwohl die Klientin schon zu Beginn mit ihrem Körper verbunden schien und sich zum Erzählen bewegt hat, sprach sie später viel mehr aus ihrem Körperempfinden heraus, Ihre Einstellung und ihre Ideen zu Ihrem körperlichen Gefühl hatten sich verändert.

 

Clean Language sprechen lernen nach Judy Rees

Hier ist eine wunderbare Anleitung von Judy Rees, Clean Language zu lernen.

1) Sie meint, man sollte zuerst Zuhören lernen ohne zu antworten. Dabei wird das Denken entspannt und die Neugierde für das Erleben und die einzigartige Welt des Gegenübers geschult. 2) Dann kann man beginnen ein paar Worte zu spiegeln. Sie einfach zu wiederholen und dem anderen zurückzugeben. Vielleicht immer die letzten zwei oder drei gesprochenen Worte oder ein Schlüsselwort, das in uns nachklingt. 

3) Als Nächstes kann man eine einzige Frage stellen: „Und was für ein…?“ oder „Und ist da noch etwas über…?“

Bis hierhin sollte es entspannt laufen.  Und erst wenn man damit Erfahrungen gesammelt hat, geübt hat, nicht seinen eigenen Beitrag ins Gespräch bringen zu müssen, und das ist wirklich nicht leicht, kann man sich einen Schritt weiter wagen und 

4) mehr als eine, also zwei Fragen stellen. Das kann mitunter für die Fragenden und für ihr Gegenüber ein bisschen unbequem sein, denn jetzt wird klar, dass es sich um eine andere Art von Gespräch handelt als sonst üblich.

Hier spürt man, ob sich die Gesprächspartnerin im Moment auf Clean Language einlassen mag. Und falls es für einen der beiden zu unbequem wird, kann man wieder in ein normales Gespräch übergehen.

5) Der nächste Schritt beim Lernen ist: Auf Metaphern/ Vergleiche / Bilder lauschen und dazu Clean Questions stellen. Wenn ein Mensch Bilder benutzt, ist, anders als bei bloßen Beschreibungen, sein ganzen Wesen involviert. Deshalb lohnt es sich, gerade hier einzusteigen. Es ist oft angenehmer, wenn wir die positiven Bilder aufgreifen. 

6) Und nun können wir die Aufmerksamkeit unserer Gesprächspartnerin auf ihr Ziel richten: „Und was möchtest du gern, das geschieht?“

 

Clean Questions nach Nick Pole

Es gibt einige geringfügig abweichende Zusammenstellungen von Clean-Language-Fragen. Sie sind auch nicht als hundertprozentig fest anzusehen und es geht viel mehr um die Einstellung beim Fragenstellen als um die korrekte Formulierung. Trotzdem sind sie mit viel Bedacht entwickelt und es könnte sinnvoll sein, sich zuerst daran zu halten. Ich stelle hier die 12 Clean Questions aus „Words that touch“ von Nick Pole vor. Für die Schlüsselworte oder Phrasen steht hier ein X (oder Y), in das man entsprechend einsetzt.

Angefangen haben wir mit der Frage nach dem 

Attribut: (X genauer betrachten und erforschen.) Und was für ein X? Und ist da noch etwas über X? 

Und mit Fragen nach dem 

Ort: (Den Körper und den Raum einbeziehen.) Und wo (genau) ist X? 

Und mit einiger Erfahrung können wir weitere Fragen mit einbeziehen:

Fokus: (Wo ist die Aufmerksamkeit, wohin geht die Aufmerksamkeit?) Und wohin zieht es dich?

Zeit und Reihenfolge: (Der inneren Landschaft eine zeitliche Dimension geben.) Und was geschieht dann? Und was war gerade bevor X?

Metapher / Bild / Vergleich: (Diese Frage ist geeignet, Bilder zu provozieren.) Und X ist wie was? 

Herkunft: (Ursprung) Und woher könnte X kommen?

Beziehung: (Schafft Verbindungen in der Landschaft oder ordnet.) Und gibt es einen Zusammenhang zwischen X und Y?

Ergebnis: (Wenn schon eine Landschaft entstanden ist, kann man gut nach den Wünschen fragen, wie sich alles entwickeln könnte.) Und was möchtest du, das passiert? Und was möchte X, das passiert?

Kraft: (Ist es möglich?) Und kann X Y machen?

 

Meine Erfahrung  

Ich bin froh, dass ich Clean Language benutzen kann. Zu mir kommen mitunter Klienten, die in der Lage sind, nach zwei drei, Clean Questions zu sagen, was sie sich von der bevorstehenden Behandlung wünschen. Sie haben eine Idee, womit sie arbeiten wollen und wie sie sich später fühlen möchten.  Hier bringt Clean Language die Idee auf den Punkt. Und ich habe die Möglichkeit, nach der Behandlung kurz nachzufragen. Es ist einfach, klar und schnell.

Es kommen auch Menschen, die keine exakte Vorstellung haben und sich lieber treiben lassen. Da bekomme ich auf Clean Questions oft ausweichende Antworten. Vielleicht bin ich nicht geübt genug, vielleicht brauchen diese Klienten in dem Moment ein anderes Gespräch. Und das ist auch gut.

Und es gibt Klienten, die in unerwarteten Momenten im Gespräch oder in der Behandlung plötzlich auftauchende Bilder äußern. Hier habe ich es erlebt, dass Klienten positiv erstaunt darüber sind, dass ich ihr Bild aufgreife und es ernst nehme, indem ich sie dazu frage. Darüber, dass sie über ihr Erleben sprechen können und dürfen. Sie können von dem, was sie sagen und was sich in ihnen entwickelt, selbst ergriffen sein. Das finde ich beeindruckend. Und besonders hier habe ich durch Clean Language deutlich an Sicherheit gewonnen. 

Für mich ist klar, für die Klientin soll ihr eigenes Erleben im Vordergrund stehen, nicht meines. Die Erfahrung der Klientin und die Ideen der Klientin dürfen den Raum einnehmen.  Trotzdem teile ich mitunter auch meinen Eindruck mit. Wenn ich eine Aussage über mich mache, gebe ich einen Rahmen und einen geschützten Raum und genau das Signal: Hier kann man sagen, was man spürt.


Weiterführende Literatur: 
englisch:
Nick Pole, Words that touch – How to ask questions your body can answer, Singing Dragon, 2017, ISBN 978-1-84819-336-9
Es gibt eine Website von Judy Rees mit kurzen Videos verschiedener Clean-Language-Anwender www.learncleanlanguage.com oder „Six baby steps to start using Clean Language“ auf www.judyrees.co.uk
deutsch:
Bettina und Hans-Peter Wellke, Clean Language Karten, Verlag Source Of Performance,  2014, ISBN/EAN 4-260251-440215
 

Autorin: Maria Illgen, Shiatsupraktikerin (Praxis Shiatsu in Rixdorf, Berlin) zur Website


 

Dein gutes Leben – so einfach

Dein gutes Leben – so einfach

Es gibt so unendlich viele Lebensregeln heutzutage. Und wir werden mit einer Flutwelle an Ratschlägen von Gesundheitsexperten und solchen, die es gerne wären, überrannt bis es schon weh tut und am Ende gar nichts mehr hilft. Gesund sein kann das nicht. Aber wir sehnen uns nach Informationen und Hilfe und bekommen überreichlich davon geliefert. Überall. In jedem Geschäft, in jeder Zeitschrift, in unzähligen Gesprächen, ob wir wollen oder nicht. Alle geben ihr Wissen um den letzten Gesundheitsschrei zum Besten.

Es wird kompliziert und immer komplizierter. Eigentlich soll es einfach sein. Wenn wir uns von dogmatischen Vorstellungen lösen und den Blick auf’s Wesentliche richten kann es das auch.

Im Allgemeinen definieren wir in unserer Gesellschaft Gesundheit als das Fehlen von Krankheit.

Aus Shiatsusicht ist Gesundheit von Krankheit nicht zu trennen. Wir bewegen uns zwischen zwei Polen und unser Leben gestaltet sich aus den Kräften, die hier wirken.

Ein gutes Leben ist nicht davon abhängig, welche Symptome uns begleiten. Es gibt „kranke“ Menschen, die glücklich sind und es gibt „gesunde“ Menschen, die unglücklich sind. Wir haben viele Möglichkeiten, unsere Lage zu bewerten und vieles hängt tatsächlich genau von dieser eigenen Bewertung ab.

Doch gibt es ein paar ganz einfache Grundregeln, die uns helfen, kraftvoll und glücklich unseren Weg zu gehen. So einfach diese Regeln sind, so viel können sie dennoch bewegen. Es muss nicht kompliziert sein und wir wollen uns nicht in komplexen Diäten, Meditationsvorhaben, Yogapraktiken und Fitnessplänen verheddern. All das ist möglich und für den ein oder anderen wichtig und erstrebenswert, doch mir geht es um die Basis unserer Gesundheitspflege.

Beim Shiatsu betrachten wir den Menschen als Ganzes, seinen Körper, seinen Geist, seine Emotionen und seinen Verstand. Wir sprechen von den vier Ebenen, die in einander übergehen und sich gegenseitig nähren, aber auch schwächen können. Betonen wir zwei oder drei dieser Ebenen und vernachlässigen eine andere, wird es leicht zu einem Ungleichgewicht kommen. Ich will das genauer beschreiben. Und vor allem will ich, dass es einfach bleibt. Es ist weniger wichtig, diese Zusammenhänge im Detail zu wissen und zu verstehen. Wir können einen Weg beschreiten und Erfahrungen machen. Daraus schöpfen wir und alles wird zum Spiel. 

Stell dir für einen Moment dein Wesen als ein dreidimensionales Netz vor. In diesem Netz findest du die oben erwähnten 4 Ebenen (körperlich, emotional, mental, spirituell). Sie existieren nebeneinander und sind ineinander verwoben zu einem komplexen bunten Netz.

Nun tust du etwas für deinen Körper und das Netz bewegt sich in dem Bereich, der deine Körperlichkeit repräsentiert. Durch die unzähligen Verbindungen bewegt sich jedoch das ganze Netz und so werden die anderen Ebenen auch in Bewegung gebracht und beeinflusst. Tust du etwas für deinen Verstand, wird sich das Netz auf eine andere Art und in eine andere Richtung bewegen. So ist unser Netz in ständiger Bewegung und Veränderung.

Wird ein Bereich dauerhaft vernachlässigt, geht von ihm keine Bewegung aus. Dieser vernachlässigte Bereich bewegt sich zwar durch den Einfluss der aktiveren Ebenen, jedoch eben nur passiv und so kommt es zu einem Ungleichgewicht. Zudem fehlt der stimulierende Einfluss auf die anderen Ebenen. 

Dies ist natürlich eine sehr vereinfachte Darstellung, aber sie macht auf einfache Art deutlich, wie die Ebenen miteinander kommunizieren.

Wenn wir wollen, dass unser Leben, um in diesem Bild zu bleiben, einem kraftvoll pulsierende Netz gleicht, was ständig in Bewegung und Entwicklung ist, können wir nun ganz konkrete Schritte gehen.

Wie wir das machen, kann sehr individuell sein. Jeder Mensch ist anders und hat andere Aufgaben und Interessen. Unsere Basis ist jedoch immer gleich, es ist das Zusammenspiel dieser 4 menschlichen Ebenen. Und die einfachste aller Grundregeln lautet:

 

– Wachse auf allen 4 Ebenen –

Tue etwas für deinen Körper,
setze dich mit deinen Emotionen auseinander,
fordere deinen Verstand
und übe dich in Spiritualität.

 

 

Jetzt kann es natürlich ganz schnell wieder kompliziert werden, weil sicher jeder von uns zu all diesen Bereichen schon zig Ansätze und Empfehlungen im Kopf hat. Doch auch hier darfst du einen Schritt zurücktreten und ganz unten anfangen.

Beim Shiatsu wenden wir immer den Blick auf das, was schon da ist und nicht auf das, was nicht in Ordnung ist. Denn das, was da ist, will auch da sein und kann somit auch wunderbar gefördert werden, so dass es sich entweder wandelt oder größer wird.

So kannst du als erstes für dich feststellen, was du auf diesen 4 Ebenen hast, tust und bist.

Hier ein paar Beispiele:



 

Wenn du all diese Bereiche mit Leben und Bewegung füllst, wird dein Leben reichhaltiger und wesentlicher werden. Dabei ist es überhaupt nicht wichtig auf jeder Ebene das letzte rauszuholen. Denn hier spielt unsere Persönlichkeit eine große Rolle. Nicht jeder will Sport machen und nicht jeder will sich einer religiösen Praxis hingeben. Das ist auch nicht nötig. Werden die Ebenen alle gleichermaßen schon in geringem Maße geachtet und gelebt, ist dies günstiger, als wenn zwei Bereich überbetont werden und ein anderer hinten runter fällt.

So könnte die oben genannte Grundregel

Wachse auf allen Ebenen

zu einer einfachen täglichen Lebenspraxis werden.

 

Hinzu kommen deine ganz persönlichen Vorlieben und Leidenschaften, die du in vollem Maße ausleben kannst – so, wie du es vielleicht jetzt auch schon tust. Doch sicher um ein Vielfaches bereichert durch die vergrößerte Basis, die du dir erschaffen hast.

Wie kann so eine tägliche Lebenspraxis ganz einfach gestaltet werden?

Mache dir eine Liste mit Handlungen, die du gut in dein Leben integrieren kannst. Bediene dich der Idee der 4 Ebenen und sei kreativ. Es ist wichtig, dass es deine persönliche Handlungen sind und du nicht irgendwelchen Vorgaben folgst. Lass dir also für dich passende Handlungen aus den Bereichen Körper, Emotionen, Verstand und Geist einfallen und zögere nicht, hier und da deine Grenzen etwas auszuweiten. Es ist wahnsinnig bequem, sich im Komfortbereich zu bewegen, aber es wird mit der Zeit auch langweilig. Wir Menschen wollen wachsen. Das ist eines unserer grundlegendsten Bedürfnisse. Schenke dir diese Chance und integriere die ein oder andere Handlung, die dich vielleicht auch mit Angst oder Unwohlsein konfrontiert. Es ist ein Spiel und jetzt heißt es Ausprobieren und Neues entdecken. 

Denk dran, viele kleine Schritte ergeben einen großen. Wir öffnen uns, wenn wir Neues ausprobieren. Dein Blick wird sich verändern mit den Erfahrungen, die du hier machst und das Leben wird runder, leichter und schöner.

 

 

Von Herzen

viel Erfolg damit

Autor: René Fix, Leiter des kiCollege

Was ist Shiatsu?

Was ist Shiatsu?

Ich bin kein Freund von ausgeklügelten Shiatsudefinitionen und es ist eine wahrscheinlich lebensbegleitende Aufgabe für Shiatsupraktiker, diese so oft gestellte Frage nach dem ‚Was ist das eigentlich?‘ zu beantworten oder im besten Fall geschickt zu umschiffen. Ganz ähnlich geht es mir, wenn ich nach dem letzten Urlaub gefragt werde. Ich kann beschreiben, was ich gemacht habe und wo ich war, aber was ich tatsächlich erlebt habe, kann ich meinem Gegenüber selten vermitteln. Es bleibt unbefriedigend.

Als ich 2004 meine Shiatsuausbildung am Europäischen Shiatsu Institut in Münster begann, habe ich zuvor weder davon gehört, noch jemals eine Behandlung bekommen. Eine ganze Kette an wenig nachvollziehbaren Zufällen führte mich jedoch zu einem Abend in der Berliner Schule für Zen-Shiatsu. Es war ein Infoabend für eine Shiatsuausbildung. Auch nach diesem Abend wusste ich nicht annähernd, was Shiatsu wirklich ist. Doch ich habe eine Berührung gespürt, die mich neugierig gemacht hat. So neugierig, dass ich mehr davon wollte. Es gab etwas zu entdecken, was jenseits meiner bisherigen Erfahrungen lag und es war irgendwie wesentlich.

Da war auf einmal Nähe zu mir und zu anderen, die mich, ohne irgendwie schräg oder merkwürdig zu sein, tief berührt hat. Da waren Berührungen, die mich meinen Körper auf eine ganz besondere Art haben spüren lassen. Es war ein bisschen magisch, fast schon mysteriös, dachte ich. Es wurde natürlich auch viel gesprochen und erklärt, doch diese ganzen Erklärungen mit Energie, Meridianen, Akupunktur, Yin Yang und japanisch und so haben mir wenig geholfen, das Ganze auf die Schnelle zu verstehen. Aber das war auf einmal auch nicht mehr wichtig.

Jetzt kann ich über dieses Medium keine Erfahrungen bieten, sondern bin relativ reduziert auf Wort und Bild. Und ich sehe mich einem neugierigen Leser gegenüber, der wissen und verstehen will.

Die viel zitierten Definitionen von Wikipedia und dem Shiatsu Berufsverband (GSD) helfen nur geringfügig weiter. Man erfährt, das Shiatsu aus Japan kommt, eine individuelle, energetische Körperarbeit ist und die Selbstregulierungskräfte des Menschen anregt. Doch das ist abstrakt und verglichen mit dem real erlebten Shiatsu relativ langweilig.

Also nehme ich nochmal einen Anlauf:

Es gibt einen Behandler und eine/n Behandelte/n, also ist eine Behandlungsform. Manche nennen es Therapie, manche Berührungskunst, manche Körpercoaching, manche energetische Körperarbeit.

In Japan, dem Ursprungsland von Shiatsu, würde man vielleicht von einer Art manuellen Therapie sprechen. Shiatsu ist dort weit verbreitet, wird in einem Shiatsu College gelehrt und funktioniert doch ganz anders als hier in Europa.

Shiatsu ist ein weites, weites Feld. Es gibt verschiedene Schulen und Systeme und die Arbeit ist von Praktiker zu Praktiker verschieden. Eine Ausbildungen kann man an einer Shiatsu-Schule absolvieren. Schon hier wird man ermutigt, seinen persönlichen Weg mit Shiatsu zu finden.

Die Persönlichkeit ist essenziell wichtig in der Begegnung und Kommunikation von Mensch zu Mensch, sei es in der gesprächstherapeutischen Arbeit, in der Körperarbeit und auch in anderen Begegnungen und Berufen, wenn man z.B. erfolgreich Brötchen im Bäckerladen verkaufen will. Wir sind nur schnell dabei, die Sache, die Technik, das System oder die Ware in den Mittelpunkt zu rücken. Und so entstehen Definitionen.

Im Shiatsu steht die Begegnung im Mittelpunkt und somit die zwei Menschen, die sich für eine Sitzung verabredet haben. In dieser Begegnung geschehen Veränderungen, es kann losgelassen und wahrhaftig gespürt werden. So entsteht Vertrauen zum eigenen Sein und Tun, was so unglaublich wichtig ist für das persönliche Vorankommen. Schmerzen kommen und gehen, der Kopf wird leer, das Leben und das eigene Tun wird bewusster. Im Körper sinkt oder steigt die Spannung und das Wohlgefühl. Man weiß nicht, was geschehen wird. Alles ist ein Experiment, jede Begegnung und jede Berührung. So individuell wie jeder Moment in diesem Universum.

Man weiß auch nicht, was passiert, wenn man an einem x-beliebigen Tag eine alte Freundin wieder trifft und sie einem plötzlich Fragen stellt, die einen vielleicht stutzen lassen. Fragen, die Erinnerungen wecken und die auf einmal an unserem wohletablierten System rütteln. Man weiß auch nicht, was geschieht, wenn wir morgen mit dem Fahrrad hinfallen. Vielleicht liegen wir 4 Wochen im Krankenhaus und unsere Arbeit wird von einem Kollegen weitergeführt. Vielleicht bremst das unser Leben so dermaßen aus, dass danach alles anders ist und wir neue Ideen bekommen, wie es weitergehen soll. 

So weiß man auch nicht, was passiert, wenn beim Shiatsu sich Emotionen zeigen, die man vielleicht jahrelang nicht gespürt hat. Oder wenn sich die Schulter wie durch Gottes Hand berührt wieder frei und flexibel anfühlt. Der Arzt hat doch gesagt, die sei kaputt. Man weiß es nicht. Wir sind keine Maschinen und Shiatsu ist keine Apparatur, genauso wie das Leben keine Fabrik ist.

Shiatsu ist offen. Nichts wird erwartet und nichts wird gewollt. Es ist eine Begegnung in Berührung und Achtsamkeit und es gibt tausend Wege. Shiatsu hat einen umfangreichen theoretischen Überbau, doch im Mittelpunkt steht der Moment, in dem sich zwei Menschen begegnen und berühren, um zu entspannen, loszulassen und neue Möglichkeiten zu erforschen. Hier entfaltet sich unser Potential. Faszinierend und kraftvoll und mehr als empfehlenswert. 

Autor: René Fix, Leiter des kiCollege

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