Meridiane… hat doch jeder

Jan 6, 2020Allgemein

Meridiane sind wundervoll und mysteriös. Jeder hat sie und keiner sieht sie. Sie leben uns und wir leben durch sie und doch fehlen uns die Worte, sie jemandem verständlich zu beschreiben, der noch nie etwas von ihnen gehört hat. Im Shiatsu arbeiten wir sogar mit diesen Meridianen und doch scheint sich das Geheimnisvolle um die Meridiane hier oft nicht aufzulösen.
Um etwas Licht in dieses Thema zu bringen, ist es sinnvoll einen Schritt zurück zu nehmen und zu schauen, welche Ebenen über diesen Meridianen liegen.

 

Der Mensch

Der Mensch hat einen Körper, einen Geist und eine Seele. Das scheint mittlerweile zum Allgemeinwissen zu gehören. Wir waren lange vereinnahmt von dem mechanistischen Denken, was uns hat glauben lassen, dass der Mensch mit seinem Körper ganz ähnlich funktioniere wie eine Maschine. Doch uns erreicht immer mehr Wissen und Erfahrungen, die uns bestätigen, dass es neben dem physischen Körper auch einen emotionalen, einen mentalen und einen spirituellen Körper gibt. Und wenn ich sage ‚neben‘, ist das mehr als falsch. Diese Körper sind ein und das Selbe. Eine Trennung findet nur in unseren Köpfen und unseren Definitionen statt.
Der Mensch ist komplex.
Und der Mensch ist ein energetisches Wesen. Aus der modernen Physik wissen wir, dass auf kleinster Ebene eine Unterteilung in Energie und Materie keinen Sinn mehr macht. Das gefrorene Wasser ist genauso Energie wie der unsichtbare Dampf. Schon die Vorstellung von Wasser lässt sich genau betrachtet vom spürbaren Wasser nicht trennen. Alles ist Energie, alles ist Geist. Wir sind nur schnell in dem Glauben, dass unser Körper eine Sache ist, getrennt vom Rest der Welt. Doch der Schein trügt und wir tun uns einen großen Gefallen, diese Überzeugung fallen zu lassen. Unser Körper ist nur ein Aspekt von uns, fein verwoben in das energetische System Mensch, welches wiederum fein verwoben ist in das komplexe energetisch-geistige System unseres Universums.

Die Bewegungen des Lebens

Jeder Mensch bewegt sich auf seine Weise durch sein Leben. Und alles ist Bewegung. Wir bewegen uns auf etwas zu. Wir laufen von etwas weg. Wir entscheiden uns, nach rechts oder links zu schauen. Wir öffnen und verschließen uns. Wir halten fest und lassen los. Das sind ganz grundlegende Lebensbewegungen, die jeder Mensch kontinuierlich tätigt, um sein Leben zu meistern. Auch diese Lebensbewegungen sind hochkomplex und wir brauchen Kräfte und Ressourcen, um sie auszuführen.
Allein um aus einem Sessel aufzustehen braucht es eine ganz Serie an Bewegungen:
– die Motivation, aufzustehen,
– die Entscheidung, dies zu tun,
– die körperliche Kraft, die nach unten geht in den Boden und die Armlehnen,
– die körperliche Kraft, die nach vorne und oben geht,
– das Vermögen, Stabilität auf den Füßen zu finden,
– die Veränderung der Atmung, durch die neue Körperhaltung,
– und einiges mehr.
Um als Mensch durch einen ganz normalen Tag zu kommen, sind unzählige Bewegungen dieser Art nötig.
Schauen wir auf eine andere Art der Tätigkeit, z.B. ein Gespräch, wird deutlich, dass auch hier sehr viel in Bewegung kommt:
– die Öffnung, sich mit einem anderen Menschen im Gespräch zu begegnen,
– das Schützen vor verbalen Angriffen oder ungeliebten Argumenten,
– das Verändern der Haltung, um sich besser zuwenden zu können,
– der innere Verlust einer Überzeugung, wenn der andere gute Argumente vorbringt,
– die Zurückhaltung der Gedankenflut, die parallel im Kopf vorgeht,
– und vieles mehr.
Wir sind so viel mehr, als ein funktionierender Körper. Diese Lebensbewegung finden in uns und um uns herum statt und machen unser Leben aus. Sie zeigen unser Potential.

Die Meridiane

Diese Lebensbewegungen drücken sich in den Meridianen aus, genauso wie sich die Meridiane in den Lebensbewegungen ausdrücken. Und das Ganze ist alles andere als abstrakt.
Um mich zu entscheiden, ob ich links oder rechts entlang gehe, brauche ich eine Kraft bzw. eine Energie, die mir diese Bewegung ermöglicht. Diese Energie drückt sich beispielsweise im Gallenblasenmeridian aus, der an den Körperseiten zu finden ist.
Will ich ein Ziel erreichen und spüre dafür einen großen Antrieb, zeigt sich das in meiner Blasenenergie, die vorrangig auf der Körperrückseite zu finden ist. Sie schiebt mich förmlich nach vorne.
Dies sind zwei sehr einfache Beispiele für den Ausdruck von Lebensbewegungen im eigenen Körper. Wie oben schon beschrieben, spielen oft sehr viele Aspekte eine Rolle, wenn wir etwas tun, wie etwa aus dem Sessel aufzustehen oder ein Gespräch zu führen. Entsprechend viele ‚Meridiane‘ sind involviert.
Diese Meridiane sind nicht begrenzt auf einen bestimmten Körperbereich. Sie zeigen sich dort, wo sie für das, was gerade geleistet und erschaffen wird, wichtig sind. Somit sind Meridiane auch keine Kanäle ähnlich einer Blutbahn oder eines Lymphgefäßes. Sie sind eher als Funktionen und Aspekte unseres Lebens zu betrachten. Und wenn wir verstehen, dass wir Menschen nicht ein Klumpen Materie sind, sondern ein pulsierendes, hochkomplexes energetisches interagierendes System, wird auch klar, dass die Energie, die uns Leben lässt, unbegrenzt aber konkret über unseren Körper zum Ausdruck kommt.

Wir sind also nicht ein Körper, der von Meridianen durchzogen ist, sondern Energie, die sich manifestiert hat und über uns zum Ausdruck kommt. Da, wo die Bewegung stattfindet, zeigt sich etwas. Und das nennen wir Meridian.

Die Behandlung

In einer Shiatsubehandlung wird der Mensch nicht als Körper berührt, sondern als komplexes energetisches Wesen mit all seinen Aspekten. Dieses Wesen, dieser Mensch zeigt sich dem Behandler bzw. der Behandlerin unter anderem über die Meridiane oder bestimmte Punkte bzw. Orte. Da man den emotionalen Körper und den mentalen Körper nicht trennen kann vom physischen Körper, zeigen sich auch entsprechende Prozesse oft deutlich auf körperlicher Ebene. Sie werden sichtbar. Jeder kann sich vorstellen, dass ein Mensch, der sehr viel gedanklich arbeitet einen anderen körperlichen Ausdruck entwickelt, als jemand, der vielleicht vorwiegend mit seinem physischen Körper arbeitet. Diese Unterschiede zeigen sich noch auf feinster Ebene. Auch ganz kurzfristige Bedürfnisse, wie z.B. das Bedürfnis nach Schutz, zeigen sich bei einem Menschen und werden sichtbar. Oft zeigt sich ein tiefes Bedürfnis auch über eine Art Ersatzausdruck. Um bei dem Beispiel zu bleiben, kann es vorkommen, das ein Mensch, der sich schützen will vielleicht anfängt ganz laut zu sein und nach vorne zu preschen. Dann wird das eigentliche Bedürfnis verschleiert und man hat den Eindruck, derjenige ist nicht schutzbedürftig sondern forsch und mutig. Auch dies kann sich bei einer Behandlung zeigen und über die Meridiane, sprich den Menschen, wahrgenommen werden.
Die Meridiane gehören genauso zu uns, wie unsere Zellen, unsere Gedanken und unsere Überzeugungen. Sie sind nicht davon zu trennen.

Bei einer Behandlung wird also ein Mensch berührt und nicht ein Meridian. Es gibt keine Meridianbehandlung und es ist irreführend, wenn von Meridianen als eine Sache, einem Gefäß oder ähnlichem gesprochen wird.
Der Mensch ist nichts, er ist.

Autor: René Fix, Leiter des kiCollege