Der Weg führt nach innen

Der Weg führt nach innen

Der Weg führt nach innen

 

Kürzlich kam eine neue Klientin zu mir. Sie war aufgelöst und emotional aufgewühlt. Sie war stark verwickelt in einer Geschichte vom Vorabend, die auf einer Geschichte aufbaut, die ihr Leben schrieb. Sie war sehr beschäftigt mit all dem. Sie sagte, sie brauche Klarheit im Leben. Sie äußerte auch ganz deutlich, dass sie nicht von mir an ihrer Rückseite berührt werden wolle. Sie wolle nicht, dass ich etwas mit ihr mache.

Wir saßen da und warteten. Die Zeit und der Raum sind meine Partner. Schließlich bat ich sie, mir zu sagen, was sie jetzt braucht. Sie wollte meine Hände halten. So saßen wir und erst viele Minuten später begann Bewegung. Ich habe mich führen lassen. Keine Behandlung, keine Idee, kein Wollen, kein Tun. Niemand bisher hat das mehr eingefordert als sie.

In Achtsamkeit bezeugte ich ihre Bewegung und ihr Sein. Ich folgte ihr und die Berührung wanderte. Hier und da gab es Punkte, die mich anzogen, wie ein starker Magnet. Ich wandte mich dem zu. Nichts zu tun. Es dauerte sicher 20 Minuten bis sie nach innen ging und sich hinlegte. Tiefer und tiefer begaben wir uns in sie hinein, bis wir angekommen sind – im Vertrauen.

Nichts habe ich angewandt. Kein Wissen hat zu einem Handeln geführt, dass etwas hätte erreichen sollen. Wir sind in den Fluß eingetaucht, haben uns von der Strömung erfassen lassen und haben uns treiben lassen. Der Fluss hatte einen ganz besonderen Charakter. Das war sie selbst. Ihre Bewegung bewegte uns. Bis zu dem Punkt, an dem Stille einkehrte. Dann war Stille. Angekommen im Innern. Rückkehr zur Bestimmung. Ewigkeit. Kraft.

Kraft aus sich heraus und im Kontakt mit tiefem Wissen, welches aus der Weisheit des Seins kommt.

Der Weg führt nach innen. Nicht immer so eindrücklich, wie in dieser Begegnung. Doch immer ist es so.

Der Weg führt in das Eins-Sein. Tief im Innern wissen wir, dass wir untrennbar mit allem Leben Verbunden sind. Jedoch lässt unsere materielle Erfahrung in diesem Körper, mit all unseren Ideen und Glaubenssätzen das nur schwer zu. Hier gibt es ein starkes Ego, welches sich identifiziert mit den Ausprägungen und Erfahrungen dieses Lebens in diesem Körper. Scheinbar brauchen wir das. Wie könnten wir sonst Essen zubereiten, unserer Arbeit nachgehen oder für eine Bergtour trainieren? Viele unserer alltäglichen Tätigkeiten wären kaum denkbar ohne den Gedanken der Trennung. Und wie kann man beispielsweise Einheit erfahren mit einem Kontrahenten, der gerade seine ganze Wut auf einen richtet? Die Trennung scheint hier offensichtlich und sie bietet zudem Schutz.

Doch gehen wir unter diese Ebene des Materiellen, des 3-dimensional Erfahrbaren, dann liegt dort  ein warmes, weiches offenes Feld, indem alles seinen Platz hat. Alle Wut, aller Schmerz, alles Sein. Hier treffen sich Menschen mit unterschiedlichsten Ansichten und sind zusammen – gemeinsam. Das Ego spielt hier keine Rolle.

Und dann? Was bringt es, dort zu sein? Ist das nicht eine Flucht aus der Welt?

Dort ist Frieden, Schönheit und Wachheit. Das Leben findet weiterhin statt. Die Beziehungen sind immer noch präsent. Und doch weiß ich, wenn ich regelmäßig in das Eins-Sein gehe, dass da Vertrauen ist. Es kann gleichzeitig vorhanden sein mit dem gefühlten Misstrauen im Egobewusstsein. Doch das Vertrauen liegt unter all dem und es integriert all die Gefühle, die hieraus erwachsen und das Leben formen.

Vertrauen ist absolut essentiell. Es ist unser Fundament. Im Vertrauen gibt es keine Angst und kein Leid. Im Vertrauen erfährst Du die bedingungslose Liebe.

Und was hat das jetzt mit den Rückenschmerzen zu tun, dem Herzfehler, dem Burn-Out, der Einsamkeit oder was auch immer der Grund war, der einen Menschen dazu bewegt hat, zu mir zum Shiatsu kommen?

Alles. Der Körper-Geist braucht keine externen Maßnahmen, um sich zu heilen. Der Körper-Geist braucht Frieden und Hingabe, dann kann er alles selbst regeln. Vertrauen ist die Grundlage dafür. Und jeder kann dort hingehen. Im Vertrauen leidest Du nicht am Schmerz oder der Einsamkeit. Hier wird klar, dass das Leben weitergeht, egal in welcher Form. Es ist in stetem Wandel. Doch wir halten den Wandel gerne fest. Wir arbeiten gerne dagegen, in dem wir die Trennung kultivieren und Maßnahmen ergreifen für eine bestimmte Richtung, die wir uns ausgedacht haben. Wer weiß schon, was richtig ist für Dich in diesem Moment. Dein Verstand weiß es nicht, denn der bewegt sich in den Grenzen, die zu dem geführt haben, wo Du gerade stehst. Es bräuchte eine weitere Perspektive. Oder gar keine Perspektive, eher ein Folgen.

Genau wie ich meiner Klientin gefolgt bin, kann man auch dem eigenen Leben folgen. Das Leben findet statt und wir sollten dem nicht im Weg stehen. Je mehr Du folgst und wirklich „siehst“ was geschieht, umso näher kommst Du zu Dir. Du spürst das Vertrauen und kannst von hier immer mehr zulassen und geschehen lassen. Es geschieht und Du bist dabei.

Autor: Rene Fix, Leiter des kiCollege

 

Altes Wissen neu entdeckt – Der Frühling in uns

Altes Wissen neu entdeckt – Der Frühling in uns

Am auffälligsten ist die große Kraft, die sich im Frühling zeigt. Ein zarter Spross schiebt sich durch die teilweise noch gefrorene Erde, die ersten Schneeglöckchen beginnen zu blühen. Kraft und Wachstum prägen diese Jahreszeit. 

Die Meridiane, welche dem Frühling zugeordnet sind, unterstützen uns darin, kraftvoll und anpassungsfähig zu sein. Wie ein junger Baum stehen wir fest verwurzelt und nach oben hin weit und offen. Durch unsere Beweglichkeit und Anpassungsfähigkeit „knicken“ wir nicht ab, wenn das Leben mal „stürmisch“ ist. 

Wir sind in unserer Frühlingsenergie ausgeglichen, wenn wir uns in unserer Kraft so zeigen können, wie wir sind. Wird diese Kraft zurückgehalten, entstehen meist Verspannungen. Oft an Augen, Kopf, Nacken oder den Hüftgelenken. Hier unterstützt Shiatsu, wieder entspannt und beweglicher zu werden, die angestaute Kraft positiv zu leben. 

Wenn wir nun wissen, wo wir stehen und offen sind für das, was uns begegnet, können wir aus dieser Weite heraus gute Entscheidungen treffen. So verlieren wir auch nicht den Roten Faden unseres Lebens: schon der Same weiß, welcher Baum er einmal werden will. Auch wir haben unser innerstes Wissen, wohin unser Weg uns führen soll und was gut für uns ist. So sind wir die besten Experten für uns selbst. 

Mit dieser inneren Weisheit bringt uns Shiatsu in Kontakt. Damit wir uns in einer guten Weise um uns selbst kümmern können. So sind wir entspannt, kraftvoll und ausgeglichen im Alltag. 

Autorin: Tatjana Wörner, Shiatsupraktikerin aus Hirschberg bei Heidelberg. Lehrerin am kiCollege.

 

Die Schönheit des leeren Raumes

Die Schönheit des leeren Raumes

Der ungefüllte Raum ist wichtig in der japanischen Kultur. Er wird ma genannt, die ‘Schönheit des ungefüllten Raums’. Kalligrafie ist ein Beispiel dafür. Da gibt es nichts Überflüssiges. Keine überflüssige Bewegung wird ausgeführt. Die Bewegungen in der Teezeremonie und im No-Theater sind ähnlich. Sie verkörpern Schönheit. Die traditionelle japanische Kultur ist vereint mit der Natur, was dem Konzept von mu-shin (‘Ich-Losigkeit) zugrunde liegt. Gibt es aber keine Schönheit, dann stimmt etwas nicht. Schönheit und Natur sind immer ausgeglichen und es gibt keine Schwierigkeiten. Sind sie aber nicht ausgeglichen, dann ist das nicht normal. Gibt es keine Schönheit, dann ist die Verbundenheit zur Natur gestört. Also Schönheit ist sehr wichtig im Sei-ki. Diese Empfindsamkeit oder dieses Gefühl, was Sei-ki zugrunde liegt, kommt aus der japanischen Kultur. Ich sage dies, weil je präziser du bist, umso ökonomischer und effektiver wird deine Praxis sein. Was ist die ökonomischste und effektivste Praxis? Sie existiert dann, wenn es keine überflüssige Bewegung gibt.  

(aus ‘Sei-ki: Das Verborgene in der Kunst des Shiatsu’, A. Kishi, A. Whieldon, Seite 109/110)

Wer schon einmal in tiefer Verbundenheit mit einem Mensch in schweren Zeiten zusammen saß und die Resonanz und das Loslassen spürte, das ein gemeinsamer Atemzug auslöste – genau da in diesem Moment, genau richtig und sonst nichts – der weiß, von was Kishi hier schreibt. Die Schönheit liegt im Moment, frei vom Tun und der Überlegung. Es geschieht einfach. 

Vergangenes Wochenende war ich zu Gast im ShendoShiatsu-Institut in Köln. Wir haben drei Tage gemeinsam Sei-ki geübt und jeden Tag ein bisschen mehr losgelassen und uns dem leeren Raum hingegeben. Wenn man nicht bewertet, gibt es nicht mehr viel zu tun. Alles Überflüssige verschwindet und die Schönheit nimmt Raum. Das Herz öffnet sich und der Mensch geht seinen eigenen Weg. Ganz selbstverständlich. Ganz leicht. Ganz im Moment. Danke. Arigatō.

 

 

Autor: René Fix, Leiter des kiCollege

 

Vereinigung von Herz und Hand

Vereinigung von Herz und Hand

Kishi schreibt zu Gyoki:

“Gassho-Gyoki vereinigt Herz und Hände durch Atmung. Mit Gyoki verfeinern wir unsere Wahrnehmung und nehmen die Spannung aus unserem Körper von den Schultern bis zum Hara und unser Blick wird klarer. Die Hände und die Augen sind die sensibelsten Teile des Körpers und wir benutzen sie im Sei-ki am meisten. Wenn wir Gassho-Gyoki praktizieren, bringen wir Sensitivität in unsere Hände, nehmen unseren ganzen Körper wahr und unser Rücken wird warm. Beim Praktizieren von Gyoki und Katsugen ist es möglich, die Welt mit unschuldigen Augen wahrzunehmen und mit klarem Blick zu betrachten. Ein freies, freudiges Gefühl bei der Atmung stellt sich ein. Dieses Gefühl ist Resonanz. Mit diesem Gefühl wirst du sicher wissen, wo du berühren sollst und die Atmung des Patienten wird sich stark verändern.”
(aus “Das Verborgene in der Kunst des Shiatsu” A. Kishi, A. Whieldon)

Gyoki ist für mich mittlerweile der wichtigste Zugang zum Menschen, zu anderen, wie auch zu mir selbst. Gyoki ist Meditation. Es fokussiert mich, es macht mich sanft und es führt mich zu meinem wahren Selbst, meiner ursprünglichen Natur. Genauso führt es mich zur wahren Natur des Menschen, mit dem ich arbeite. Herz und Hände sind eins. Der Atem führt mich und der Blick wird klar. 

Gyoki zu erlernen ist sehr leicht. Es gibt, wie beim Sei-ki fast keine Vorgabe für die Form. Jeder kann atmen. Jeder kann eine Verbindung zwischen den Händen wahrnehmen. Und damit kann es direkt losgehen. Am besten lernt man Gyoki direkt mit einer Person, die damit viel Erfahrung hat und dann praktiziert man einfach selbst regelmäßig und entwickelt die eigene Praxis und Erfahrung weiter. Wenn Du keine persönliche Begleitung hast, ist die nächstbeste Art, Gyoki zu erlernen diese hier: The Gyoki-Xperience (offen bis 10. Februar 2020).

Autor: René Fix, Leiter des kiCollege

 

Altes Wissen neu entdeckt – Berührung

Altes Wissen neu entdeckt – Berührung

Berührung ist wohl die ursprünglichsten Form der Zuwendung.

Wir alle halten uns instinktiv den Arm, wenn wir ihn angestoßen haben. Diese Berührung lindert und tut gut. Wir alle können das! Wir wissen genau, wie wir uns Berührung wünschen. Doch warum werden wir so selten wirklich „berührt“? Meistens ist es doch eher ein Anfassen. Und: wie berühren wir selbst eigentlich?

Wenn wir etwas Kostbares aufnehmen, benutzen wir zwei Hände, und wir wenden uns diesem Gegenstand zu (anders bei etwas Unwichtigem: da reicht eine Hand, im Vorbeigehen können wir das „mal eben schnell“ aufheben). Wenn wir nun berührt werden, wendet sich der andere uns zu, benutzt beide Hände. Was macht aber solch eine Berührung mit uns? Wir fühlen uns wirklich gemeint! Und gesehen. Diese Berührung ist angenehm, wertschätzend, hat keine Erwartungen an uns. Wir dürfen einfach so sein, wie wir sind.

Lasst uns praktisch am Beispiel einer Schulter schauen, wie sich so eine Berührung „auswirkt“:

Wenn z.B. eine Schulter wie isoliert vom restlichen Körper steht, finden sich dort oft Verspannungsgefühle. Wir wollen diesen Bereich mit unserer eben genannten Berührung erforschen. Für sich ganz lokal und auch in den Verbindungen zum ganzen Körper (Wie gehört diese Schulter zum Rumpf? Wie die Knie zu der Schulter…). Über die Hände wird der Schulter vermittelt, dass sie nicht mehr alleine steht. Wir erinnern uns daran, wie wir „eins“ sein können. Meistens lösen sich nun wie von selbst die Verspannungen. Denn: Keiner steht gerne alleine, auch nicht eine Schulter!

Auch innere Prozesse lassen sich sehr gut mit dieser Art des Berührens begleiten: gerade in unserer oft als stressig empfundenen Zeit haben viele das Bedürfnis, „runter zu kommen“, sich selbst wieder wahrzunehmen. Auch wenn Änderungen im beruflichen oder privaten Umfeld anstehen, unterstützt diese respektvolle und wertschätzende Berührung. Sich gesehen und angenommen fühlen, dazu Halt und Raum: das hilft, dass ich mich den Anforderungen meines Alltages positiv  stellen kann. Entspannt und tatkräftig.

„Das Herz von Shiatsu“ ist diese Art der Berührung. Ganz natürlich, konkret und zugewandt.

Autorin: Tatjana Wörner, Shiatsupraktikerin aus Hirschberg bei Heidelberg. Lehrerin am kiCollege.