So schwer und doch so leicht

Nov 20, 2019Sei-ki

Wir hatten am vergangenen Wochenende ein wundervolles Workshopwochenende mit Kyoko Kishi. 26 Teilnehmer*innen, die zum Teil ihre Sei-ki – Erfahrungen vertieft haben oder diese Arbeit ganz neu kennengelernt haben.

Sei-ki ist sehr einfach und sehr schwer zu gleich.

Einfach, weil es kaum etwas zu wissen gibt und man nur dem folgt, was jetzt ist. Es gibt keine konzeptionelle Herangehensweise. Man verbindet sich mit der eigenen Kraft, findet eine möglichst spannungsfreie Haltung und verbindet sich mit dem Behandlungspartner oder der Behandlungspartnerin. Es entsteht Raum, das Atmen verändert sich, es zeigt sich ein Punkt und eine innere Bewegung. Der Geist ist leer und man ist in tiefem Kontakt mit dieser Bewegung. Man beobachtet. Ist im Hier und Jetzt. Es gibt nichts zu tun. Man muss nichts wissen über Meridiane oder Physiologie. Man muss nicht analysieren und diagnostizieren, um dann eine bestimmte Vorgehensweise umzusetzen. In diesem Sinne basiert die Herangehensweise nicht auf einem Konzept. Es geschieht einfach. Ganz natürlich. Und das heißt nicht, dass es beliebig ist. Ganz im Gegenteil. Es ist sehr konkret und für die Behandlerin im besten Fall absolut eindeutig, was geschieht.

Und hier kommt die Schwierigkeit. Eindeutig ist etwas nur, wenn keine Zweifel im Kopf sind. Doch wir sind denkende Wesen, die gerne analysieren und beurteilen und sehr gerne auch Zweifeln. In der Analyse, im Urteilen, im wissensbasierten Handeln und im Zweifel findet kein Sei-ki statt. Der Kopf muss leer sein, könnte man sagen. Doch das ist er selten. Kaum jemand kann diesen „Zustand“ der Leere oder Ich-Losigkeit über längere Zeit aufrecht erhalten. Doch es gibt noch einen Zwischenweg: Wir haften nicht an. Die Gedanken kommen und gehen. Wir lassen sie ziehen und identifizieren uns nicht mit ihnen. Wir nutzen sie nicht für eine Bewertung der Situation oder der anderen Person. Wir widmen uns dem Sein und nicht dem Tun. Dies ist ein Training. Manchen gelingt das leichter, für andere stellt sich hier eine große Herausforderung.

Immer wieder kamen in dem Workshop Fragen nach Meridianen, Akupunkturpunkten und weiteren Zusammenhängen. Hier endet Sei-ki.  

Sei-ki ist die große kraftvolle Einladung, auszusteigen aus dem Denken. Der Körper weiß alles. Er hat das volle Potential, sich selbst zu regulieren. Als Sei-ki – Praktizierende erkennen wir das an. Wir wissen das. Ohne Zweifel. Und wir geben uns dem hin. Und so gibt es kein Tun im Sei-ki. Wir sind mit der Klientin und geben dem Raum, was ist. Und erneut weise ich darauf hin, dass das nicht beliebig ist. Wir geben nicht einfach nur „irgendwie“ Raum.

Die biologischen Regulationsmechanismen folgen einem Plan. Der Körper hat ein ganz klares Vorgehen, z.B. einen gebrochenen Knochen zu reparieren. Blutung, Entzündung, Hormonausschüttung,  Knochenbildung, Knochenhärtung, etc.

So ist das bei allen physiologischen Vorgängen im Körper. Es gibt einen „Vorfall“ und es startet ein „Programm“. Und das gilt genauso für psychische, emotional oder spirituelle Vorgänge. Sie sind von körperlichen Vorgängen nicht zu trennen.

Die Kunst ist nun, dem Raum zu geben, was jetzt ansteht. Und wir müssen nicht wissen, was das ist. Wir müssen es nicht benennen können. Doch wir müssen im Sei-ki fühlen und erkennen, welcher inneren Bewegung jetzt große Aufmerksamkeit zukommen muss, um dieser Bewegung Raum zu geben.

Dazu müssen wir den Kopf leer bekommen. Es ist ein der Intuition ähnlicher Zustand. Es ist klares Wissen ohne Wissen. Wenn Du an einer roten Fußgängerampel stehst, neben Dir ein Kind und auf der Straße schnelle Autos und dieses Kind auf einmal losläuft, weißt Du, was zu tun ist. Du schnappst das Kind am Kragen und ziehst es zurück. Noch einen Moment zuvor hast Du nicht darüber nachgedacht. Kein Wissen war grundlegend für Dein Handeln. Doch Dein Handeln war klar und eindeutig.

Du kennst vielleicht den Satz aus dem Tao Te King: Das Tao das beschrieben ist, ist nicht das Tao.

Ein verrückter Satz irgendwie. Denn er steht in einem Buch über das Tao.

Es ist so ähnlich mit Sei-ki. Das Sei-ki das beschrieben ist, ist nicht das Sei-ki. Und doch schreibe ich darüber.

Ich bitte, dies zu entschuldigen… 🙂

 

Autor: René Fix, Leiter des kiCollege