Die Schönheit des leeren Raumes

Die Schönheit des leeren Raumes

Der ungefüllte Raum ist wichtig in der japanischen Kultur. Er wird ma genannt, die ‘Schönheit des ungefüllten Raums’. Kalligrafie ist ein Beispiel dafür. Da gibt es nichts Überflüssiges. Keine überflüssige Bewegung wird ausgeführt. Die Bewegungen in der Teezeremonie und im No-Theater sind ähnlich. Sie verkörpern Schönheit. Die traditionelle japanische Kultur ist vereint mit der Natur, was dem Konzept von mu-shin (‘Ich-Losigkeit) zugrunde liegt. Gibt es aber keine Schönheit, dann stimmt etwas nicht. Schönheit und Natur sind immer ausgeglichen und es gibt keine Schwierigkeiten. Sind sie aber nicht ausgeglichen, dann ist das nicht normal. Gibt es keine Schönheit, dann ist die Verbundenheit zur Natur gestört. Also Schönheit ist sehr wichtig im Sei-ki. Diese Empfindsamkeit oder dieses Gefühl, was Sei-ki zugrunde liegt, kommt aus der japanischen Kultur. Ich sage dies, weil je präziser du bist, umso ökonomischer und effektiver wird deine Praxis sein. Was ist die ökonomischste und effektivste Praxis? Sie existiert dann, wenn es keine überflüssige Bewegung gibt.  

(aus ‘Sei-ki: Das Verborgene in der Kunst des Shiatsu’, A. Kishi, A. Whieldon, Seite 109/110)

Wer schon einmal in tiefer Verbundenheit mit einem Mensch in schweren Zeiten zusammen saß und die Resonanz und das Loslassen spürte, das ein gemeinsamer Atemzug auslöste – genau da in diesem Moment, genau richtig und sonst nichts – der weiß, von was Kishi hier schreibt. Die Schönheit liegt im Moment, frei vom Tun und der Überlegung. Es geschieht einfach. 

Vergangenes Wochenende war ich zu Gast im ShendoShiatsu-Institut in Köln. Wir haben drei Tage gemeinsam Sei-ki geübt und jeden Tag ein bisschen mehr losgelassen und uns dem leeren Raum hingegeben. Wenn man nicht bewertet, gibt es nicht mehr viel zu tun. Alles Überflüssige verschwindet und die Schönheit nimmt Raum. Das Herz öffnet sich und der Mensch geht seinen eigenen Weg. Ganz selbstverständlich. Ganz leicht. Ganz im Moment. Danke. Arigatō.

 

 

Autor: René Fix, Leiter des kiCollege

 

Vereinigung von Herz und Hand

Vereinigung von Herz und Hand

Kishi schreibt zu Gyoki:

“Gassho-Gyoki vereinigt Herz und Hände durch Atmung. Mit Gyoki verfeinern wir unsere Wahrnehmung und nehmen die Spannung aus unserem Körper von den Schultern bis zum Hara und unser Blick wird klarer. Die Hände und die Augen sind die sensibelsten Teile des Körpers und wir benutzen sie im Sei-ki am meisten. Wenn wir Gassho-Gyoki praktizieren, bringen wir Sensitivität in unsere Hände, nehmen unseren ganzen Körper wahr und unser Rücken wird warm. Beim Praktizieren von Gyoki und Katsugen ist es möglich, die Welt mit unschuldigen Augen wahrzunehmen und mit klarem Blick zu betrachten. Ein freies, freudiges Gefühl bei der Atmung stellt sich ein. Dieses Gefühl ist Resonanz. Mit diesem Gefühl wirst du sicher wissen, wo du berühren sollst und die Atmung des Patienten wird sich stark verändern.”
(aus “Das Verborgene in der Kunst des Shiatsu” A. Kishi, A. Whieldon)

Gyoki ist für mich mittlerweile der wichtigste Zugang zum Menschen, zu anderen, wie auch zu mir selbst. Gyoki ist Meditation. Es fokussiert mich, es macht mich sanft und es führt mich zu meinem wahren Selbst, meiner ursprünglichen Natur. Genauso führt es mich zur wahren Natur des Menschen, mit dem ich arbeite. Herz und Hände sind eins. Der Atem führt mich und der Blick wird klar. 

Gyoki zu erlernen ist sehr leicht. Es gibt, wie beim Sei-ki fast keine Vorgabe für die Form. Jeder kann atmen. Jeder kann eine Verbindung zwischen den Händen wahrnehmen. Und damit kann es direkt losgehen. Am besten lernt man Gyoki direkt mit einer Person, die damit viel Erfahrung hat und dann praktiziert man einfach selbst regelmäßig und entwickelt die eigene Praxis und Erfahrung weiter. Wenn Du keine persönliche Begleitung hast, ist die nächstbeste Art, Gyoki zu erlernen diese hier: The Gyoki-Xperience (offen bis 10. Februar 2020).

Autor: René Fix, Leiter des kiCollege

 

Sei-ki – Ein Weg in die Bewegung durch Resonanz

Sei-ki – Ein Weg in die Bewegung durch Resonanz

Shiatsu hat viele Facetten. Und jede dieser Facetten hat ihren Ort. Was Shizuto Masunaga in den 70ern auf den Weg gebracht hat, wurde von vielen Menschen mit langjähriger Erfahrung weiterentwickelt. Einer der großen Weiterentwickler war Akinobu Kishi. Er war Meisterschüler von Masunaga Sensei und lange Jahre seine rechte Hand, wenn man so will. Er ist für Masunaga nach Europa gereist, um Workshops zu geben und das Shiatsu in die Welt zu tragen.

Doch es kam der Tag, an dem er seinen eigenen Weg vor sich entdeckte und ihn mutig gegangen ist. Er wandte sich ab von Masunaga, um sein Sei-ki zu entwickeln. Es war eine Weiterentwicklung von Shiatsu und eine Rückbesinnung auf den Ursprung zugleich.

Sei-ki ist anders. Es lässt sich noch viel mehr ein auf den Raum, den wir alle brauchen, um uns zu entfalten. Sei-ki ist reine Konzentration auf das Wesentliche. Keine Verwöhntechniken, keine komplexen Diagnosekonzepte, keine reine Meridianarbeit. Auch im Seik-i arbeitet man mit Meridianen. Das Grundverständnis bleibt. Meridiane als Ausdruck unserer Lebenskraft. Ein Ausdehnen und Pulsieren dieser Kraft in unserer Körperseele.
Und die Stagnation, die eine authentische Bewegung unserer inneren Kraft einschränkt und verändert. Der Meridian, dieser energetische Ausdruck unserer Lebensaspekte, erscheint in der Berührung. Wenn er erscheint, ist er wichtig und wird gesehen und berührt. Wenn er nicht erscheint, wird in Gelassenheit gewartet und es tut sich vielleicht eine andere Tür auf. Alles im Fokus. Reine Konzentration.

Sei-ki ist eine Körperarbeit, doch der Körper ist untrennbar mit unserem Geist und unserer Seele. Es ist eins. Alles ist eins. Und in der Tiefe unseres Wesens fühlen wir uns eingeladen, in die innere Bewegung zu gehen, die Bewegung zuzulassen und an die Oberfläche fließen zu lassen. Hier entsteht Freiheit in dem unbegrenzten Raum. Und das ist spürbar. Durch das stetige Raumgeben fühlt man sich unmanipuliert, geliebt und gesehen. Und was wollen wir mehr. Allein diese drei Aspekte schaffen Bewegung und Freiheit, schaffen ein von Vertrauen genährtes Selbstgefühl. Jetzt braucht uns niemand mehr „sagen“, was richtig für uns ist, was wir tun und lassen sollen. Es hat sich etwas verändert und zwar aus unserer eigenen Tiefe heraus.

Mit Sei-ki gehen wir in einen Prozess. So wie im echten Leben. Oft sind die Prozesse des Lebens einengend. Wir denken und handeln in unseren Begrenzungen und entscheiden uns mit unseren Ängsten und Sorgen. Das Leben dreht sich wie eine Spirale und es kommt immer mehr dazu. Mit Sei-ki lösen wir uns von Begrenzungen und gehen ins Vertrauen und in die Freiheit.

Jeder kann sich selbst befreien und somit auch Symptome und Probleme lösen. Doch stehen wir uns oft selbst im Weg. Mit Seiki spüren wir eine starke Hand, die uns hilft, unserer eigenen Bewegung zu folgen. Ganz konkret und direkt.

Kishi Sensei hat im Laufe der Jahrzehnte viele Schüler in Europa unterrichtet und inspiriert. Er sprach nie von sich als Lehrer und von seinen Workshops als Unterricht. Er zeigte seine Arbeit, sein Wissen und seine Weisheit. Es gab auch keine Levels. Alle Workshops waren offen für alle.
Kishi Sensei ist 2012 verstorben. Seine Frau Kyoko führt seine Arbeit fort. Sie hat über Jahre mit ihm Workshops gehalten und praktiziert selbst seit vielen Jahren Sei-ki. Kyoko ist eine unglaublich faszinierende und inspirierende Person. Still und bescheiden, achtsam und weise. Ihre Workshops sind für viele ein Wendepunkt in der eigenen Shiatsuarbeit. Auch andere langjährige Schülerinnen und Schüler von Kishi sind heute sehr engagiert, diese Berührungskunst weiter zu tragen. Das sind z.B. Alice Whieldon, Frans Coppers, Paul Lundberg, Vidan Damljanovic, um nur einige zu nennen.

Autor: René Fix, Leiter des kiCollege

 

The doing and not-doing

The doing and not-doing

Sei-ki is the name given to his art by Kishi Akinobu. He was a consummate practitioner of Shiatsu and devoted himself to learning and perfecting the methods of his teachers. He gained his Shiatsu license from Namikoshi’s school and was the top disciple of Masunaga. His is one of the strongest lineages in Shiatsu and, in the correct manner, departs from it in order to remain faithful to its essence.

Shiatsu was renewed through his personal study and realization. He called this renewal, Sei-ki or Sei-ki Soho. Sei-ki is both the pinnacle of Japanese Shiatsu and different from it. It is not, as some would say, a style of Shiatsu.

Sei-ki, the Way of Touch, is a space in which to remember who we are and return to our original condition. Its value to our health is unparalleled, yet it is not medical. You could say it is medicine, in the way that a good holiday can be medicine. This is not the same as being medical. Sei-ki is an art.

Sei-ki is difficult to understand and describe because it reaches toward the unknowable. It operates in the space of possibility between the known and unknown, the conscious and unconscious. It steps outside the medical way of thinking and promotes health in a much wider sense. It invites us to find wisdom. Wisdom is different from intellectual knowledge.

Words will always be inadequate in describing this kind of knowing. But trying to say what it is, can bring Sei-ki more into the conscious world and keep it alive. In Zen, the student is tested verbally, although what is being tested cannot be spoken of. When we say something true, it grows. If it is not true it withers. So speaking is allied with bringing knowledge into the world and into touch.

In the middle of a demonstration, Kishi would often show a point and say something like, ‘nothing to do here’. But what does this mean?

This article looks at the doing of not-doing in Sei-ki.
Sei-ki fosters no-mind through the not-doing of touch. This is immediately a problem for our intellects, because ‘Touch’ is a verb which we associate with doing something.

Not-doing is related to the aim of no-mind that we find in Buddhism in particular, and in all spiritual traditions to some extent. Brief moments of no-mind may be had by anyone at any time, through chance or effort, but most of us, for most of our lives, are locked into seeing the world through the personality and ideas.

This is so difficult for our intellects to grasp that not-doing in Sei-ki has been widely misunderstood. Trying to not-do is contradictory and people tie themselves in knots, trying to not try. Students often settle for vague touch rather than risk being accused of doing something.
This comes with many fears: that the receiver will be unhappy; that I should be ‘doing something’, that they won’t feel anything, that I don’t know what I’m doing….. In any case, it is not Sei-ki.

Yet, this not-sure-not-doing is an important stage in learning Sei-ki. It takes tremendous courage to try and this courage is powerful. It is vital to plunge into this uncertainty if you are to learn the art of Sei-ki.
But since we only have doing as a template for understanding not-doing, even imagining not-doing is a stretch. It is not just a play on words. It is mind-bendingly hard to imagine the opposite of all our doing and it is impossible to ‘do’. Not-doing is not a type of doing. We go through stages of subtle doing and call it ‘not-doing’ before we experience real not-doing. We must be vigilant to catch ourselves in this sneaky trick. Even the most minimal doing is still doing.

Added to this is our impoverished experience of touch. If you have never experienced Sei-ki touch, then how would you recognize it when you find it? This is an underestimated problem. The degraded quality of feeling, emotion, touch and relating, brought about by the universal trauma of the human condition is so widespread that it is normal. The situation is far worse than we think.
It is so bad that, even among manual practitioners, we mostly experience only the idea of feeling and sensation rather than actual feeling and sensation. Most of us need to begin by experiencing real doing. Trying to run ahead to not-doing is premature.

First, in Sei-ki, we learn real doing by learning real feeling and real sensation, separate from the meaning we give to it.
It is worth noting here that not-doing must not be confused with doing-nothing. There seems to be a trend in Sei-ki, especially since Kishi’s death, of emphasizing subtle, light touch and staying still to encourage people to feel more. This is valuable, perhaps essential in order to train people in actual feeling and not just the idea of feeling. But Sei-ki should not be confused with not-doing. Not-doing is nothing to do with whether there is action. It is not a kind of immobility.

There is a great deal of doing involved in most Sei-ki. The client arrives and the business of getting ready is done. You move towards the client. There is doing in finding the right distance, the first point. You choose to watch, to touch, to listen, to engage. Certainly, at the beginning and for a long time, this involves will, choice, action.
The session is framed by degrees of willful doing and this holds the space in which surrender can be invited. Surrender can only be invited – it cannot be done. It comes to you; you can only set up the conditions for it and intend it. There is a paradox here: while you usually must actively invite surrender, that which is surrendered to comes off its own accord.

You are the hunter; you lay the traps with care and intent and then wait. But the rabbit comes to the trap itself. This is nothing to do with you. This is getting closer to not-doing.
This doing, using the will, is necessary at the start of learning Sei-ki but falls away with experience. Learning Sei-ki takes time. The balance between discipline and surrender shifts from the former to the latter over time. The shift from doing to not-doing shifts too. Surrender and not-doing are related.

Another aspect of not-doing is that, when you recognize another person, you also recognize that there is nothing to do to them. There is only something to do while there are ideas. In not-doing, there are no ideas.
For instance, if I diagnose a problem, this suggests I intend to do something about it. Problems require fixing. Naming it also creates a separation between you and them. This is inherent in medical diagnosis. But if I recognize another person with the attention of my hara, not my head, there are no ideas and no judgement; no need to fix.

Hara’ is often understood as the dan tien, the lower abdomen, the proper centre of gravity. It is described as geographically located. Yet it is much more than this. Through hara development we dislodge the mind/ego from its importance in creating meaning towards the non-intellectual knowing of hara. This knowing is wisdom.

Not-doing is not a medical technique or alternative way of fixing people. In ‘ah, I see’ (a sou ka) comes the knowledge that there is nothing to do. This is not a kind of pointlessness as in, there is no point in doing anything. It is that there is, finally and completely, nothing to do here. In fact, it may come with the hilarity of seeing that all our doing and fussing and worrying is nothing in the face of reality.
This requires skilled observation, which is what Sei-ki trains. In the observation of how things really are, there is change because there is already change which we are now conscious of. You cannot achieve this as a technique. You cannot trick change by seeming not to do anything while in fact trying to make things change. This is what sophisticated approaches to therapy attempt. That approach is based on the idea that we, humans, are separate from reality and better than it. It is based on the idea that we can affect how things are in their basic reality. This is madness; we have no idea about reality. We only see a tiny fraction of it. We must genuinely give up trying to make a change. This cannot be done as a technique. We must reach a point of thoroughly giving up; maybe even despair.

Sei-ki is not therapy. The results look like therapy because we reconnect with our freedom and feel better. We could even say it is therapeutic, but that does not make it therapy.

Sei-ki requires not just this understanding but the embodied knowledge that making a change is neither possible nor relevant. And yet the endeavour to know is vital. Even in the face of insurmountable barriers. At the point of recognition, of ‘ah, I see’, is a little leap of joy in seeing and being seen. This is not-doing; not because you suddenly stop doing something in order to not-do, but because there is nothing to do.

If you apprehend a sunset, it is not as though you are doing something to it, or that it would even occur to you that it might be in your personal power to affect it in some way. You may suffer because you cannot keep it and hold it, but you do not set up elaborate strategies to impress yourself upon it because you know that would be crazy.
With each other, however, we practice willful ignorance. We are under the illusion that we can capture and change. It is our condition that we do not recognize the truth. Why would touch be different from any other relationship?
And all that is still not quite not-doing. Not-doing is a quality of attention and touch. Attention is touch. It is a kind of openness through which reality can enter. Reality is the medicine we want.

 

Autorin: Alice Whieldon is co-author of Sei-ki: Life in Resonance, the Secret Art of Shiatsu 2011, Kishi & Whieldon, Singing Dragon, London. She presents Sei-ki workshops internationally and has a private practice in London, UK. In addition, she is a practitioner and teacher of PASE (Partner Assisted Self-Enquiry) offering Mind Clearing, Enlightenment Intensive meditation retreats and Emotional Trauma Release. She has an academic background in Philosophy, Theology and Religious Studies, is a tutor in the Faculty of Arts with the Open University and a Senior Fellow of the Higher Education Academy. She founded Living in Resonance in 2018 to bring together approaches and people dedicated to awakening.

 

So schwer und doch so leicht

So schwer und doch so leicht

Wir hatten am vergangenen Wochenende ein wundervolles Workshopwochenende mit Kyoko Kishi. 26 Teilnehmer*innen, die zum Teil ihre Sei-ki – Erfahrungen vertieft haben oder diese Arbeit ganz neu kennengelernt haben.

Sei-ki ist sehr einfach und sehr schwer zu gleich.

Einfach, weil es kaum etwas zu wissen gibt und man nur dem folgt, was jetzt ist. Es gibt keine konzeptionelle Herangehensweise. Man verbindet sich mit der eigenen Kraft, findet eine möglichst spannungsfreie Haltung und verbindet sich mit dem Behandlungspartner oder der Behandlungspartnerin. Es entsteht Raum, das Atmen verändert sich, es zeigt sich ein Punkt und eine innere Bewegung. Der Geist ist leer und man ist in tiefem Kontakt mit dieser Bewegung. Man beobachtet. Ist im Hier und Jetzt. Es gibt nichts zu tun. Man muss nichts wissen über Meridiane oder Physiologie. Man muss nicht analysieren und diagnostizieren, um dann eine bestimmte Vorgehensweise umzusetzen. In diesem Sinne basiert die Herangehensweise nicht auf einem Konzept. Es geschieht einfach. Ganz natürlich. Und das heißt nicht, dass es beliebig ist. Ganz im Gegenteil. Es ist sehr konkret und für die Behandlerin im besten Fall absolut eindeutig, was geschieht.

Und hier kommt die Schwierigkeit. Eindeutig ist etwas nur, wenn keine Zweifel im Kopf sind. Doch wir sind denkende Wesen, die gerne analysieren und beurteilen und sehr gerne auch Zweifeln. In der Analyse, im Urteilen, im wissensbasierten Handeln und im Zweifel findet kein Sei-ki statt. Der Kopf muss leer sein, könnte man sagen. Doch das ist er selten. Kaum jemand kann diesen „Zustand“ der Leere oder Ich-Losigkeit über längere Zeit aufrecht erhalten. Doch es gibt noch einen Zwischenweg: Wir haften nicht an. Die Gedanken kommen und gehen. Wir lassen sie ziehen und identifizieren uns nicht mit ihnen. Wir nutzen sie nicht für eine Bewertung der Situation oder der anderen Person. Wir widmen uns dem Sein und nicht dem Tun. Dies ist ein Training. Manchen gelingt das leichter, für andere stellt sich hier eine große Herausforderung.

Immer wieder kamen in dem Workshop Fragen nach Meridianen, Akupunkturpunkten und weiteren Zusammenhängen. Hier endet Sei-ki.  

Sei-ki ist die große kraftvolle Einladung, auszusteigen aus dem Denken. Der Körper weiß alles. Er hat das volle Potential, sich selbst zu regulieren. Als Sei-ki – Praktizierende erkennen wir das an. Wir wissen das. Ohne Zweifel. Und wir geben uns dem hin. Und so gibt es kein Tun im Sei-ki. Wir sind mit der Klientin und geben dem Raum, was ist. Und erneut weise ich darauf hin, dass das nicht beliebig ist. Wir geben nicht einfach nur „irgendwie“ Raum.

Die biologischen Regulationsmechanismen folgen einem Plan. Der Körper hat ein ganz klares Vorgehen, z.B. einen gebrochenen Knochen zu reparieren. Blutung, Entzündung, Hormonausschüttung,  Knochenbildung, Knochenhärtung, etc.

So ist das bei allen physiologischen Vorgängen im Körper. Es gibt einen „Vorfall“ und es startet ein „Programm“. Und das gilt genauso für psychische, emotional oder spirituelle Vorgänge. Sie sind von körperlichen Vorgängen nicht zu trennen.

Die Kunst ist nun, dem Raum zu geben, was jetzt ansteht. Und wir müssen nicht wissen, was das ist. Wir müssen es nicht benennen können. Doch wir müssen im Sei-ki fühlen und erkennen, welcher inneren Bewegung jetzt große Aufmerksamkeit zukommen muss, um dieser Bewegung Raum zu geben.

Dazu müssen wir den Kopf leer bekommen. Es ist ein der Intuition ähnlicher Zustand. Es ist klares Wissen ohne Wissen. Wenn Du an einer roten Fußgängerampel stehst, neben Dir ein Kind und auf der Straße schnelle Autos und dieses Kind auf einmal losläuft, weißt Du, was zu tun ist. Du schnappst das Kind am Kragen und ziehst es zurück. Noch einen Moment zuvor hast Du nicht darüber nachgedacht. Kein Wissen war grundlegend für Dein Handeln. Doch Dein Handeln war klar und eindeutig.

Du kennst vielleicht den Satz aus dem Tao Te King: Das Tao das beschrieben ist, ist nicht das Tao.

Ein verrückter Satz irgendwie. Denn er steht in einem Buch über das Tao.

Es ist so ähnlich mit Sei-ki. Das Sei-ki das beschrieben ist, ist nicht das Sei-ki. Und doch schreibe ich darüber.

Ich bitte, dies zu entschuldigen… 🙂

 

Autor: René Fix, Leiter des kiCollege

Körpergeist

Körpergeist

Körpergeist ist eins.

Kalligrafie von Akinobu Kishi
Quelle: “Sei-ki, das Verborgene in der Kunst des Shiatsu. In Resonanz mit dem Leben.” von A. Kishi und A. Whieldon

 

 

Sei-ki ist Körperarbeit. Es gibt keine Trennung von Körper, Geist und Seele. Alles ist eins. Dein Wesen manifestiert sich in Deinem Körper.

Wir berühren den Körper.
Alles wird berührt.
Wir berühren die Seele. Sie scheint in jeder Zelle.
Wir sind verbunden: Nicht A mit B oder Körper mit Geist.
Wir sind verbunden im Eins-Sein.
Wir sind verbunden im Sein.

Und es ist so schwer zu verstehen für uns.

 

 

 

Autor: René Fix, Leiter des kiCollege